Die Suche nach politischer Relevanz
Die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) tritt an den kommenden
Berner Grossratswahlen an. Politexperten geben der ausländerfeindlichen
Partei keine Chance.
Martin Erdmann.
Quelle: Der Bund – 28. November 2017
Er ist eloquent, klingt freundlich, beinahe sanft. Pnos-Präsident
Dominic Lüthard macht am Telefon einen harmlosen Eindruck.
Es ist schwer, sich vorzustellen, dass es die gleiche Person ist,
die 2008 auf dem Rütli gegen «fremdes Lumpenpack»
hetzte, das die Schweiz überfülle, die 2004 mit ihrer
Band CDs veröffentlichte, auf denen die «reine, weisse
Schweiz» besungen wird, oder die 2002 wegen Landfriedensbruchs
und Körperverletzung verurteilt wurde. An den kommenden Grossratswahlen
kandidiert Lüthard mit sieben weiteren Parteimitgliedern im
Wahlkreis Oberaargau.
An Lüthards Denken hat sich nichts geändert, nur am Auftreten
wurde gefeilt. «Vielleicht wurde manchmal eine falsche Wortwahl
getroffen», sagt er, der sich heute oft in Anzug und Krawatte
zeigt. «Die Pnos ist nicht mehr die Skinheadpartei aus Gründungstagen.»
Eine Aussage, die auf viel Skepsis stösst (Text unten rechts).
Der Fassadenwechsel scheint aber gefruchtet zu haben, jedenfalls
wenn man Lüthard Glauben schenkt. «Die Pnos ist heute
so stark wie nie zuvor.» Laut ihm zählt die Partei heute
schweizweit 400 bis 500 Mitglieder. Die mitgliederstärkste
Region sei nach wie vor der Oberaargau.
Im Wahlkampf will die Pnos auf ihr «klassisches Thema»
setzen. «Ausländerproblematik und Identitätsverlust.
Wir Schweizer sind irgendwann in der Minderheit.» Dass dieses
Thema traditionell von der SVP bewirtschaftet wird, stört Lüthard
nicht. Die Migrationspolitik der SVP sei zu lasch. Oder wie es Lüthard
kürzlich im Interview mit einem rechtsextremen Medienportal
beschrieben hat: «Bei der SVP sind auch kulturfremde Leute
dabei. Wer sich integriert, kann mitmachen. Das hat nichts mit der
Idee einer ethnisch geschlossenen Gesellschaft zu tun.»
AfD-Effekt unwahrscheinlich
Die Pnos ist dabei, sich ein internationales Netzwerk aufzubauen.
Es werden Beziehungen mit der neofaschistischen Bewegung Casa Pound
in Italien gepflegt genauso wie mit der American Freedom Party,
die sich dem weissen Nationalismus verschrieben hat. Auch am Pnos-Parteitag
Anfang November in Bellach waren Gäste aus dem Ausland geladen.
So zum Beispiel AfD-Mann Lutz Urbanczyk, dessen Rechtsaussen-Partei
an den Bundestagswahlen als drittstärkste Partei ins Parlament
eingezogen ist.
Könnte der AfD-Erfolg die Pnos beflügeln? Politologe Michael
Hermann winkt ab. «In der Schweiz ist es praktisch aussichtslos,
rechts von der SVP zu politisieren.» Zudem wären das
zwei völlig verschiedene Situationen. Die AfD stehe der SVP
deutlich näher als der Pnos. Gerade in Wirtschaftsfragen. Während
die Pnos den Kapitalismus überwinden will, vertritt die SVP
eine wirtschaftsliberale Position. Rechte Protestparteien hätten
es in der Schweiz schwerer, sagt Hermann. Daher sieht er für
die Pnos-Positionen kaum Wählerpotenzial – obwohl sich
rechte Parteien und Bewegungen europaweit im Aufschwung befinden.
«Auftritt und Stil der Pnos liegen nicht im Zeitgeist.»
Rechtsparteien wie der Front National oder die FPÖ hätten
sich in den letzten Jahren um einen moderaten Anstrich bemüht
und sich dabei die SVP zum Vorbild genommen.
Doch was, wenn Hermann mit seiner Prognose falschliegt? Was würde
es bedeuten, wenn die Pnos ins Berner Kantonsparlament einzieht?
«Nichts», sagt Extremismusexperte Samuel Althof. «Die
Demokratie ist dadurch längst nicht gefährdet und wird
damit umgehen können.» Zudem versteht er nicht, wieso
die Pnos überhaupt einen Sitz im Parlament anstrebt. «Ihre
Politik ist weder diskursnoch mehrheitsfähig. Die Pnos hätte
keine Möglichkeit, etwas zu erreichen.» Deshalb glaubt
Althof auch nicht daran, dass die Pnos den Sprung in ein Kantonsparlament
schaffen wird. «Wer am rechten Rand steht und einigermassen
politisch rechnen kann, wird seine Stimme der SVP geben.»
Denn diese könne im Parlament auch etwas bewirken.
Die Pnos blieb an Wahlen bisher immer unbedeutend. Nur 2004 wurde
ein Kandidat in den Langenthaler Stadtrat gewählt. Wer sind
denn die Leute, die ihre Stimme der Pnos geben? «Der Gemeinschaftsaspekt
spielt dabei eine grosse Rolle», sagt Althof. Oft seien die
Pnos-Wähler Menschen, die sich als Unverstandene in radikal
geschlossenen Gedankengebäuden geborgen fühlen. «Dabei
spielt es nicht einmal eine Rolle, dass viele von ihnen das rechtsextreme
Programm nicht verstehen», so der Extremismusexperte.
Pnos
Auf Hitlers Spuren
Die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) versucht, sich
ein moderates Image zu verschaffen. Für Rechtsextremismus-Experten
gehört die Partei aber nach wie vor zur Neonazi-Szene. Bereits
2001 wurde sie vom Bundesamt für Polizei als rechtsextreme
Organisation eingestuft. 2002 veröffentlichte die Partei ein
20-Punkte-Programm, das an das 25-Punkte-Programm von Adolf Hitlers
NSDAP angelehnt war, welches wiederum das ideologische Gerüst
für die Vergasung von rund 6 Millionen Juden und die Vernichtung
von Hunderttausenden Homosexuellen, Fahrenden und Behinderten bildete.
Substanzielle Hinweise, dass sich an der Ideologie der Pnos-Mitglieder
seither etwas geändert hätte, fehlen weitgehend. Im Gegenteil,
Anfang 2015 gründete die Partei National Orientierter Schweizer
etwa den als Sicherheitsdienst präsentierten «Ahnensturm»,
kurz AS. Vielfach wurde auf Parallelen des AS mit Hitlers SA hingewiesen,
die ebenfalls als Ordnungsdienst für Parteianlässe gegründet
worden war. (chl)
Korrigendum
Pnos-Chef nicht wegen Körperverletzung verurteilt
Der Artikel über die Grossratskandidatur der Partei National
Orientierter Schweizer («Bund» vom Dienstag) enthielt
zwei Fehler. So wurde Parteipräsident Dominic Lüthard
2002 nicht wegen Körperverletzung verurteilt. Zudem sicherte
sich die Partei 2005 im solothurnischen Günsberg einen Sitz
im Parlament, und in Langenthal konnte sie den 2004 gewonnenen Sitz
2008 verteidigen. Im Artikel war nur vom Sitzgewinn im Jahr 2004
die Rede. Weiter legt Lüthard Wert auf die Feststellung, dass
die Pnos ihr 2002 publiziertes Programm wegen dessen «Nähe
zum Nationalsozialismus» unterdessen «mehrfach angepasst»
habe. (lok)
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