Machtkampf um Klamotten
Im Konflikt um die Kleidermarke Thor Steinar sind die Fronten verhärtet
Quelle: BaslerZeitung, 14.01.2011
Von David Weber
Die Anschläge von Linksextremen auf den Laden Power
Zone halten an. Die Betreiber
denken nicht daran, die umstrittene Kleidermarke
Thor Steinar aus dem Sortiment zu nehmen. Die
Folge ist ein Machtkampf mit grossem Gewaltpotenzial.
Die
Basler Staatsanwaltschaft ist ratlos. Sie kann die Urheber der Anschläge
auf den Laden Power Zone Basel an der Feldbergstrasse gleich bei
der Johanniterbrücke nicht fassen. Sicher scheint nur, dass
die Täter aus dem linksextremen, antifaschistischen Milieu
stammen. Diese hatten es seit der Eröffnung im September auf
das Geschäft abgesehen. Zuerst warnten Flugblätter vor
«Nazis in der Nachbarschaft», dann wurden die Schaufenster
verschmiert. Ende Oktober deponierten Unbekannte einen Brandsatz
vor dem Geschäft. Ende Dezember wurde zweimal das Schaufenster
eingeschlagen, einmal mit einer Schleuder.
Der
Konflikt entzündet sich an einer Kleidermarke, welche die Ladenbesitzer
im Sortiment haben: Thor Steinar. Diese ist bei Rechtsextremen beliebt
und gilt laut Verfassungsschutz des deutschen Bundeslands Brandenburg
als Erkennungsmerkmal der Neonazi-Szene. Der Verkauf der Kleider
ist nicht verboten, weder in Deutschland noch in der Schweiz. Darauf
berufen sich die Power-Zone-Besitzer. «Ob Rechtsradikale diese
Kleider tragen, interessiert uns nicht», sagt Lorenzo Zanolari.
«Wir verkaufen, was gut läuft.» Sie würden
nichts Illegales tun.
Thor
Steinar ist nur eine von vielen Kleidermarken von Power Zone, und
nicht die meistverkaufte. Trotzdem kommt es für Zanolari nicht
infrage, diese Marke aus dem Sortiment zu nehmen. Es geht ums Prinzip.
«Von diesen Kriminellen lasse ich mich sicher nicht unterkriegen»,
sagt Zanolari. Er habe in seinem ganzen Leben noch nie vor jemandem
gekuscht, sagt der 50-Jährige, der seit 30 Jahren Kampfsport
betreibt. Auf die Einschüchterungsversuche reagiert Zanolari
mit Härte und Trotz. Je grösser der Widerstand, desto
grösser seine Lust, das Thor-Steinar-Angebot auszubauen. Trotz
dieser Provokation sagt er: «Ich möchte nicht Öl
ins Feuer giessen.» Er fordert, dass die Polizei den Tätern
endlich das Handwerk legt.
Nicht
der erste Konflikt. Eine heisse Spur hat die Staatsanwaltschaft
aber nicht, wie Sprecher Markus Melzl sagt. Natürlich dürften
die Täter aus dem linken Spektrum kommen. Für eine strafrechtliche
Verfolgung bräuchten sie aber konkrete Indizien gegen bestimmte
Personen. Die Gegenseite zeigt sich ebenso unnachgiebig. «Stoppt
Thor Steinar», heisst es auf schwarz-weissen Plakaten, die
an manchen Orten im Kleinbasel hängen. Und: «Wer Naziprodukte
verkauft, verbreitet nationalsozialistische Propaganda.» Aussagen,
die Zanolari als «Rufschädigung» bezeichnet. Auch
wird die Entfernung einer weiteren Marke, Pro Violence, gefordert.
Die Stossrichtung ist klar: Der Laden muss weg.
Einer,
der mit den Ladenbesitzern sowie mit der mutmasslichen Täterschaft
Kontakt hat, ist Samuel Althof von der Fachstelle Extremismus- und
Gewaltprävention. Die Täterschaft ortet er bei den autonomen
Antifa-Gruppen aus Basel, dem Elsass und Südbaden, welche vernetzt
seien.
«Die
Linksextremen werden ihre Positionen nicht aufgeben», sagt
er und verweist auf ähnliche Fälle in Deutschland und
auch in Basel, zum Beispiel vor fünf Jahren: Damals hatte Mikail
Gör in seinem MIG-Shop auf der Lyss ebenfalls Thor-Steinar-Kleider
verkauft. Nach Gewaltaufrufen der Antifaschistischen Aktion Basel
auf Flugblättern und im Internet hat Gör seinen Laden
aus Angst vor Anschlägen wieder geschlossen.
ungewiss.
Nun wiederholt sich die Geschichte. Nur zeigen sich die Besitzer
des Power-Zone-Ladens so unnachgiebig wie die Linksextremen. In
dieser Situation der verhärteten Fronten sieht Althof nur einen
Ausweg – auch wenn er betont, dass die Ladenbetreiber nichts
Illegales täten: Power Zone müsse die Thor-Steinar-Produkte
aus dem Sortiment nehmen. Ob dies zu einer Beruhigung reichen würde,
ist ungewiss. Es besteht aber laut Althof die Möglichkeit,
dass der Rückhalt für gewaltsame Aktionen im linksextremen
Lager kleiner würde.
Nach
einer Einigung sieht es allerdings nicht aus. «Beide Gruppen
haben sich auf einen Machtkampf eingelassen», beschreibt Althof
die Situation. Nachgeben will keiner. «Machen wir uns keine
Illusionen, das Gewaltpotenzial ist sehr hoch», sagt Althof
und verweist auf mögliche Folgen für die Umgebung des
Ladens. So befinden sich in den Stockwerken über dem Geschäft
Wohnungen.
«Risiko
einer Eskalation». Die Eigentümer des Hauses stärken
Power Zone den Rücken. Cyril Welti von der Stamm & Co.
Immobilien AG: «Solange keine illegalen Aktivitäten im
Mietobjekt passieren, gibt es keinen Grund, das Mietverhältnis
mit den Ladenbesitzern aufzulösen.» Welti spricht von
«angenehmen Mietern», Beschwerden von anderen Hausbewohnern
habe es keine gegeben. Kontaktiert wurde Welti allerdings von den
Ladengegnern, von einer Telefonkabine aus, und als «Nazi»
beschimpft. Aber sie würden sich nicht dem Druck von Extremisten
beugen.
«Der
Konflikt birgt das Risiko einer Eskalation», wenn die Angreifer
zu stärkeren Mittel greifen, sagt Melzl. Deshalb müssten
die Täter gefasst werden, bevor sie Leben gefährden würden,
fordert Zanolari. Aber auch er trägt nichts zur Deeskalation
bei.
Thor-Steinar-Logos
Nordische
Mythologie. 2004 kam in Deutschland die Bekleidungsmarke Thor Steinar
juristisch unter Druck. Der Grund war die Ähnlichkeit ihres
Logos mit Symbolen verbotener Organisationen des Nationalsozialismus.
Das Logo vereinigt die Tiwaz- und die Siegrune. Runen sind alte
germanische Schriftzeichen. Die Tiwaz-Rune steht in der nordischen
Mythologie für Kampf und Aktion. Aufgrund des Rechtsstreits
wurde 2005 ein neues Logo geschaffen. Auch dieses Logo beruht auf
einer Rune, die aber im Nationalsozialismus keine Verwendung fand.
2009 wurde die Marke von einem arabischen Investor gekauft. daw
Siehe
auch:
Woran
man den Nazi erkennt
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