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«Gewalt kriegt man nicht einfach weg»
Quelle>: Tages-Anzeiger; 05.08.2011
Von
Jvo Cukas


Sind präventive Verhaftungen von gewaltbereiten Gruppen legitim oder schränkt dies die Freiheitsrechte auf inakzeptable Weise ein? Die Leser von Tagesanzeiger.ch fällen ein klares Verdikt.

Am vergangenen Mittwoch verhaftete die Stadtpolizei 32 FCZ-Fans vor dem Spiel – als Sicherheitsmassnahme. Eine Umfrage zeigt, dass die Leser von Tagesanzeiger.ch mit dem Vorgehen der Ordnungshüter mit überwiegender Mehrheit einverstanden sind. Von rund 1300 Umfrageteilnehmern sprachen sich 78 Prozent für vorsorgliche Verhaftungen aus. Nur jeder Fünfte sieht die Freiheitsrechte gefährdet.

Sind wir angesichts von Gewalttaten also sofort bereit, Freiheitsrechte einzuschränken? Gewaltpräventionsexperte Samuel Althof ortet «ein ambivalentes Verhältnis der Gesellschaft gegenüber Sicherheit und Freiheit». Er kann sich vorstellen, dass es bei einem höheren Sicherheitsbedürfnis «vielleicht eine Tendenz gibt, mehr auf strukturelle Gewalt zu setzen als auf andere Präventionsmittel».

«Zero Tolerance» gefordert

Dies widerspiegeln auch die Leserkommentare zum Thema. Die überwiegende Mehrheit lobt die Arbeit der Polizei oder sieht es wie Hans Christoffel gar «als ihre Pflicht, präventiv einzugreifen». Beat Fessler fragt sich: «Warum immer Täter oder Mitläufer schützen?» Jahrelang hätten unbescholtene Bürger die gewalttätigen Vorfälle hinnehmen und gar dafür bezahlen müssen. Und Max Bleicher ruft nach einer «Zero-Tolerance-Politik», wie es New York vorgemacht habe.

Dass die persönliche Freiheit eingeschränkt wird, stört einen grossen Teil der Leser kaum. «Sicher ist sie ein wichtiges Gut», schreibt etwa Marina Müller, «meines Erachtens darf sie aber nicht über das Wohl der Gemeinschaft gestellt werden.» Auch für Richard Hennig ist klar, dass präventive Verhaftungen eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen, «aber lieber so, als dass einer Flaschen wirft und einen Unschuldigen verletzt».

Polizei der Lüge bezichtigt

Dennoch äussern sich auch kritische Stimmen. Pat McAllister erlebte das Vorgehen der Polizei am 1. Mai dieses Jahres als «unverhältnismässig». Es seien längst nicht alle schuldig gewesen, «die die Polizei weggeschlossen hat». Tom Berger findet es interessant, wie schnell manche Kommentarschreiber «den Rechtsstaat wegen ein paar Hooligans abschaffen würden». Er hält die Entwicklung für «sehr bedenklich».

Für den Gewaltpräventionsexperten Althof hingegen macht Repression durchaus Sinn. Allerdings nur, wenn «auch andere Präventionsmittel angewendet werden». Er sieht nur dann eine Chance, dass Gewalttäter sich ändern, wenn man direkt auf sie zugeht und mit ihnen arbeitet. Es müsse eine Situation hergestellt werden, die ihnen aufzeige, welche Vorteile es für sie habe, wenn sie mit Gewalttaten aufhören. Darunter fiele eine bessere Integration in die Gesellschaft – und damit mehr Lebensperspektiven. Althof hält es aber für illusorisch, dass man die Problematik jemals vollständig lösen kann: «Gewalt ist ein Gesellschaftsphänomen. Das kriegt man nicht einfach weg.»

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