Experte
warnt: «Politiker könnten verprügelt werden»
Quelle: Tages-Anzeiger; 27.04.2011
Von
Tina
Fassbind
Linksextreme rufen vor dem 1. Mai zur Gewalt «gegen rechts»
auf. Samuel Althof von der Fachstelle Extremismus- und Gewaltprävention
warnt davor, diese Drohungen auf die leichte Schulter zu nehmen.
Herr Althof, Sie haben gegenüber «20 Minuten» festgehalten,
dass sich die Polizei am 1. Mai auf den «Worst Case»
vorbereiten muss. Was meinen Sie damit? Die Kampfansagen, die die
Extremisten – die Linken wie die Rechten – im Vorfeld
des 1. Mai machen, muss man eins zu eins ernst nehmen. Nur so kann
man abschätzen, was auf einen zukommt.
Kann man das überhaupt?
Man muss es zumindest versuchen. Die Androhung des revolutionären
Aufbaus, Micheline Calmy-Rey als Hauptrednerin vom Ersten Mai in
Zürich zu vertreiben,
darf man auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen.
Hans Fehr wurde an der Albisgüetli-Tagung von Extremisten tätlich
angegriffen. Könnte es am 1. Mai wieder zu solchen Szenen kommen?
Ja, denn es wird zumindest propagiert,
Politiker zusammenzuschlagen. Die Linksextremen rufen zu «Ohrfeigen
gegen rechts» auf. Sie beziehen ihre politische
Legitimation zu Gewalt von Hans Fehr selbst, der in einem Medienbericht
Ohrfeigen als taugliches Erziehungsmittel proklamiert hat.
Hat die Gewaltbereitschaft bei den Extremisten zugenommen?
Es kam schon früher vor, dass man politisch Andersdenkende
mit Aktionen oder Worten einzuschüchtern versucht hat. Wenn
man jemandem die Möglichkeit nimmt, sich gemäss unseren
demokratischen Werten zu einem Thema frei zu äussern, dann
ist das eine Form von psychischer Gewalt. Der nächste Schritt
ist die Gewalt gegen den Menschen selbst. Das aktuell gereizte Klima
in der Politik leistet dieser Tendenz Vorschub.
Wie meinen Sie das?
Der politische Umgangston ist schärfer geworden. Dominanzorientierung
in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner erschwert die
Findung von Wegen, die zu Kompromisslösungen führen können.
Die Option, dass der politische Gegner auf seine Art auch recht
haben kann, wird immer mehr ausgeschlossen. Man geht frontal aufeinander
los.
Ist das Handeln der Extremisten am 1. Mai tatsächlich politisch
motiviert?
Nein, nicht zwingend. Da sind alle möglichen Leute und Akteure
dabei. Am Tag der Arbeit muss man mit allem rechnen.
Welche Gruppierungen sind am gefährlichsten?
Im Linksextremismus gibt es eine politisch-programmatische Gewaltorientierung.
Das lässt sich auch im Programm des Revolutionären
Aufbaus erkennen. Man muss davon ausgehen, dass
diese Gewalt am 1. Mai ausbrechen kann. Bei den Rechtsextremem in
der Schweiz gibt es diese Gewaltprogrammatik im Moment nicht. Dort
kommt es punktuell zu sehr gefährlicher Gewalt gegen Menschen.
Die Polizei will rigoros gegen eine Nachdemo vorgehen. Ist diese
Methode richtig?
Die Polizei wird aus linksextremer Position als Teil der Aggression
wahrgenommen. Das stimmt nicht. Sie geht ja nicht mit dem Ziel auf
die Strasse, Leute zu verprügeln. Sie wollen eingreifen, wenns
passiert. Wenn Menschen auf andere losgehen, dann muss das mit allen
Mitteln verhindert werden. Das ist auch die Aufgabe der Polizei:
Leben schützen.
Was erwarten Sie vom 1. Mai 2011 in Zürich?
Alles, was angedroht wurde, kann passieren. Politiker könnten
vertrieben oder sogar verprügelt werden. Der politische Frust
kann sich jederzeit in Gewalt entladen.
Siehe
auch Interview mit Radio24:
Müssen
Politiker am 1.Mai um Leben fürchten?
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