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«Das sind einfach nur Rassisten»

Rechtsradikale Der Extremismusexperte Samuel Althof spricht über die angebliche rechte Terrorzelle in Basel. Er erklärt, warum er diese Extremisten für Maulhelden hält und wie die Repression funktioniert.

Quell Basler Zeitung 15. Mai 2019
Joël Hoffmann

siehe auch: Schweizer Neonazi-Gruppe plant Gewalt gegen Ausländer
Definition: was ist Terrorismus

Herr Althof, Sie arbeiten seit Jahrzehnten in der Extremismusprävention – der «SonntagsBlick» berichtete über Rechtsextreme, darunter auch Basler, die in einer Facebook-Gruppe über Gewaltverbrechen reden. Die Zeitung spricht gar von einer Terrorgruppe. Teilen Sie diese Einschätzung?

Es handelt sich nicht um eine Terrorgruppe. Das ist eine vollkommene Fehleinschätzung und eine Überschätzung dieser Leute. Sie so zu nennen, ist verantwortungslos, gerade auch wenn wir vergleichen, zu welchen Schreckenstaten Terroristen in der Lage sind. Hier haben wir ein paar Maulhelden, wie ich sie im Rahmen meiner Arbeit bereits hundertmal gesehen habe. Vor allem merkt man das auch, wenn man die Leute trifft. Es handelt sich meistens um Personen, die ihr inneres Barometer falsch eingestellt haben.

Kennen Sie diese Personen oder machen Sie hier eine Ferndiagnose?

Ich kenne diese Personen nicht und muss mich, wie auch der «SonntagsBlick», auf die Aussagen in diesen Chatprotokollen abstützen. Darin ist ersichtlich, dass sämtliche Atribute fehlen, die zu einer terroristischen Gruppierung gehören.

Können Sie dies genauer ausführen?

Terroristen verhalten sich konspirativ. Sie wollen ihr Ziel erreichen und gehen nicht ins Internet und prahlen dort in primitivster Art herum. Das heisst, wenn man diese Gruppierung als terroristisch bezeichnet, dann ist das masslos überzeichnet. Zudem verängstigt man damit die Bevölkerung, und das ist wirklich unnötig. Wir haben zwar ein Problem mit solchen Extremisten, aber diese Probleme sind anders gelagert. In der Prävention muss man diese symptomatischen Extremisten ganz anders behandeln als Terroristen.

Für Sie sind das also bloss symptomatische Extremisten?

Wenn ich die Chats lese, sind das symptomatische Rechtsextreme oder einfach nur primitive Rassisten, weil sie im Unterschied zu Terroristen kein politisches Programm haben.

Aber bei vergangen rechtsextremen Terrortaten haben wir wie hier auch Leute, die mit Waffen hantieren und im Internet hetzen. Sie verharmlosen doch einfach diese Gruppe.

Nein, es ist keine Verharmlosung. Im Vergleich zu einem Breivik oder dem Täter von Christchurch wird der Unterschied deutlich. Deren Programmatik richtet sich ganz klar nach aussen. Es geht ihnen um den politischen Druck, um ihre Forderungen zu erreichen. Was wir hier haben, ist hingegen eine geschlossene Gruppierung, deren Mitglieder kommunizieren und deren Inhalte nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Terrorismus hingegen hat immer eine Aussage, die sich an die Öffentlichkeit richtet. Zudem sagen besagte Rechtsextreme selber von sich, dass sie nicht formiert seien.

Nun macht der «Sonntags-Blick» den Behörden ferner den Vorwurf, dass sie nicht genug gegen rechts vorgehen, weil sie zu viele Ressourcen für islamischen Extremismus verwenden würden. Was sagen Sie hierzu?

Da besteht offenbar eine Wissenslücke über die Arbeitsweise des Nachrichtendienstes. Beim Nachrichtendienst gibt es verschiedene Abteilungen mit langfristig fest zugewiesenem Personal für die unterschiedlichen Formen von Extremismus. Da nimmt keine Abteilung einfach so der anderen Personal weg. Man muss sehen, dass ein Experte für Rechtsextreme nicht zugleich Experte für Islamismus ist, nur schon deshalb, weil er etwa kein Arabisch spricht. Der implizite Vorwurf also, dass der Nachrichtendienst die Rechtsextremen nicht beobachten könne, weil er von den Jihadisten absorbiert sei, ist eine sehr waghalsige Interpretation.

Das andere Problem ist, dass das Gesetz bei Extremismus weniger Überwachung zulässt als bei Terrorverdacht.

Hätte die Politik das Überwachungsgesetz schärfer gefasst, also Extremismus als Terror bewertet, wäre das Gesetzt wohl bei der Volksabstimmung nicht durchgekommen.

Würden Sie ein schärferes Gesetz begrüssen?

Ich denke nicht, dass dies nötig ist. Die bestehenden Mittel bringen uns weiter, wenn die Behörden gut arbeiten.

Die Basler Staatsanwaltschaft hat ein Strafverfahren gegen die Gruppe eröffnet, offenbar wegen möglicher Rassendiskriminierung. Ist das der richtige Weg?

Wenn ein Straftatbestand vorhanden ist, ja. Ich bezweifle jedoch, dass es hier zu einer Verurteilung kommen wird, weil der Chat in einer geschlossenen Gruppe stattfand und eben nicht in der Öffentlichkeit. Aber es ist dennoch wichtig, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt, damit man ihr nicht vorwerfen kann, sie schaue weg.

Das hört sich nach einem Alibiverfahren an.

Die Staatsanwaltschaft wird aufgrund ihrer eigenen Einschätzung handeln. Aber die Repression ist nur das eine, das andere wären Dialogangebote.

Mit Nazis reden?

Ja, genau. In Basel gibts die Fachstelle Radikalisierung, die machen so etwas. Aber zugleich braucht es auch Druck, wie jetzt hier. Eine solche Strafuntersuchung ermöglicht etwa eine Hausdurchsuchung. Ein solcher Druck ist ein wichtiges Element der Prävention.

Nun haben bereits Antifas auf einer Website Bilder und Namen der angeblichen Neonazis publiziert.

Diese Antifas sind zum Teil sehr intensiv an den Rechtsextremen dran. Und oft ist es so, dass sie die Journalisten mit Informationen füttern, weil Journalisten kaum die Zeit haben, langfristig in der rechten Szene zu recherchieren. Das ist ein höchst zweifelhaftes Vorgehen.

Man muss hierzu sagen, dass der «SonntagsBlick» nach eigenen Angaben selber in die Szene eingetaucht ist. Aber was sagen Sie zur Reaktion der Antifa-Aktivisten?

Das gehört zur Gewaltspirale. Hier wird eine Vorverurteilung begangen, und die Gefahr, dass unschuldige Personen irrtümlich als Neonazis dargestellt werden, ist gross. Man muss wissen, dass die Antifa auch gewaltbereit ist und somit Teil des Problems. Beide Extreme beziehen ihre Existenzberechtigung aufeinander.

Also, die Staatsanwaltschaft ermittelt nun. Was fordern Sie zudem von den Basler Behörden im Umgang mit dieser rechtsradikalen Gruppe?

Es braucht eine Gesamtbetrachtung über rechtsextreme Gewalt in der Region Basel. Das ist aber etwas, was seit Jahren gemacht wird. Ich habe keine neuen Forderungen aufgrund dieser Geschichte, denn eine solche Gruppe ist weder ein neues noch ein einzigartiges Phänomen. Die meisten Gruppen verschwinden rasch wieder, und auch rechtsextreme Parteien haben wenig Erfolg. Wir sollten also auch hier die Verhältnisse wahren und nicht in Panik verfallen.

Althof arbeitet seit Jahren in der Extremismusprävention.

«Terroristen sind konspirativ. Sie gehen nicht ins Internet und prahlen dort in primitivster Art herum.»



 

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