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Fachstelle Extremismus - und Gewaltprävention

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Interview mit Samuel Althof
Wie gefährlich ist es für Juden in der Schweiz geworden?

Quelle 06.11.2023 Nebelspalter
Von Daniel Wahl

In ganz Europa nehmen nach dem Anschlag der Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober auf Israel antisemitische Vorfälle zu. Auch in der Schweiz. Das SRF sprach vergangene Woche von 41 Vorfällen in der Schweiz seit dem Beginn des Krieges; im Jahr 2022 gab es insgesamt 57 Vorfälle.

Dazu die Einschätzungen von Samuel Althof, Psychologe und Gründer der privaten Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention (FEXX) in Basel.

Samuel Althof, wie gefährlich ist es für Juden in der Schweiz geworden?
Das zu objektivieren, ist schwierig. Ich habe nach der Demonstration in Bern mit Sicherheitsverantwortlichen gesprochen. Die Gefahr ist grundsätzlich in der Schweiz nicht stärker gestiegen, als sie es vor Ausbruch des Konflikts schon war. Aber die Stimmung ist gereizter auf beiden Seiten.

Ist es anders in Deutschland?
Ja. Der Grund sind die islamistischen Strukturen, die sich in Deutschland stärker verbreitet haben als in der Schweiz. Hier ist die Szene relativ übersichtlich. Es gibt einige wenige Schreihälse, sie zeigen ziemlich offen Flagge auf der linksextremen Seite.

Wenn von antisemitischen Vorfällen gesprochen wird, dann stellen wir uns Hakenkreuze an Synagogen oder auf jüdischen Friedhöfen vor und dass Juden «Judensau» nachgerufen oder die Kippe vom Kopf geschlagen wird. Aber heute kann man «Free Palestine – from river to sea» skandieren, ohne dass dies antisemitisch wahrgenommen wird. Sonst hätten wir nicht 41 Fälle, sondern Hunderte.
Der Schlachtruf «Free Palestine …» ist klar antisemitisch und spricht nicht ein Wasserproblem in Gaza an. Es handelt sich um eine genozidale Fantasie – die Wiederherstellung eines Staats Palästina, den es nie gab und judenrein sein muss.

Warum wird der Schlachtruf von den Behörden nicht konsequent geahndet?
Ich stelle fest, dass die Bemühungen, ihn zu ahnden, seitens der Behörden durchaus da sind. Die grossen Transparente in Bern wurden eingezogen, vielleicht nicht jede kleine Fahne. Aber wir wissen beide, dass nicht alle Behörden gleich schnell und gleich gut funktionieren. Man muss sich mit antisemitischen Inhalten vorher auseinandergesetzt haben, um sie genau zu erkennen. Die Parole «Free palestine …» wird oft auch übernommen, in der Annahme, dass sie einfach richtig ist. Dann wird ein Eingriff und eine Anklage zur Frage der Verhältnismässigkeit.

Wie zählt man heute antisemitische Vorfälle?
Ha, da schlagen sich die Leute die Köpfe ein. Die verbreitetste Version ist die Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). Sie lautet: «Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.»

In Deutschland hat eine Kita für Schlagzeilen gesorgt, weil sie nicht mehr Anne-Frank-Kita heissen soll. Der Name sei unter Migranten nicht mehr erklärbar, sagen die Verantwortlichen. Eine Pipi-Langstrumpf-Kita wird wohl in Deutschland wegen Migranten nicht umbenannt. Würden Sie die Namensänderung auch als antisemitisch konnotiert einordnen?
Als ich diese Geschichte gelesen hatte, stellte ich mir unweigerlich die Frage: Wie oft muss Anne Frank noch sterben? Das Argument, dass man den Namen Anne Frank nicht gut erklären kann, stimmt klar nicht. Es gibt dazu verständliche Kinderbücher. Aber die Geschichte aus Sachsen-Anhalt ist für mich nicht durchschaubar und eine lokale Auseinandersetzung. Man muss über den Vorfall gewiss einen Diskurs führen.

Ist es antisemitisch, wenn man Israel vorwirft, einen Genozid an den Palästinensern zu verüben?
Es ist zunächst ein objektiver Unsinn. Und dann eine klassische Täter-Opfer-Umkehr. Das ist oft antisemitisch motiviert. Es geht den Hamas, beziehungsweise den Muslimbrüdern darum, die Juden auszulöschen, nicht umgekehrt. Das hat schon in den 20er-Jahren begonnen. Jetzt wird versucht, das Narrativ zu verdrehen.

Die Israelfahne verbrennen – antisemitisch?
Ja, und umweltbelastend. Dass die USA-Fahne auch verbrannt wird, ist eine antisemitische Sekundärhandlung. Auf der Israelfahne ist der Davidstern, ein zentraljüdisches Symbol. Die Verbrennung ist ein symbolischer Akt der Vernichtung von Israel und darum als klar antisemitische Handlung zu werten. Sie ist darum verboten.

Die Nachrichtensendungen am Fernsehen sind jetzt von Angriffsbildern auf Gaza geprägt. Kaum mehr erwähnt wird, dass nach wie vor aus Hamas-Stellungen Raketen auf Israel gefeuert werden und dass die Hamas das Kriegsende selber herbeiführen könnten, indem endlich die Geiseln freigelassen würden. Antisemitisch?
Ja, weil hier klassisch Doppelstandards angelegt werden und Israel mit einem strengeren Massstab bemessen wird, als alle anderen Länder. Pakistan vertreibt derzeit die afghanischen Leute. Das wird von der Weltgemeinschaft wie mit einem umgekehrten Fernglas betrachtet. Während der Pandemie wurden in Äthiopien mehrere 100’000 Menschen abgeschlachtet. Nie ist mit denselben Moralansprüchen darüber berichtet worden. Im selben Kapitel einzuordnen sind die immer häufiger werdenden Verurteilungen von Israel durch die UNO-Generalversammlung.

In welchen Gesellschaftsschichten ist Antisemitismus am stärksten vertreten?
Die Frage ist richtig, die Antwort schwierig. Die antisemitischen Denkstrukturen kommen überall vor, auf linker Seite genau so virulent wie rechts. Links lässt es deutlicher raus. Ich rechne aber damit, dass die derzeit israelfreundliche Haltung der SVP strategischer Natur ist und sie abbrechen wird, wenn sie parteipolitisch nicht mehr nützlich ist.

In Deutschland wird vom «importierten Antisemitismus» durch die Migration gesprochen.
Von importieren Antisemitismus würde ich nicht sprechen, weil Import einen Besteller vorsieht …

Moment, ist das nicht blauäugig? Sie haben sicher die Vorfälle von Neukölln auch mitbekommen.
Man muss differenziert hinschauen. Viele Flüchtlinge wissen, was Krieg und Unterdrückung ist. Sie sind Ländern entflohen, in denen es an Schulbildung mangelt oder wo mit israelfeindlichen Positionen unterrichtet wird. Im Westen werden sie zum ersten Mal mit einer anderen Meinung konfrontiert. Und bei der Mehrheit entsteht Scham, darüber, dass sie es falsch verstanden haben. Das sind keine Antisemiten. Aber ich gehe mit Ihnen einig, dass die westlichen Staaten strategisch mit antisemitischem Gedankengut und Dschihadkämpfern infiltriert werden. Aber ich weiss aus erster Hand, dass diesbezüglich die Ohren der Nachrichtendienste mehr als offen sind. Bei den Fachstellen liegen die Fragen über den Umgang mit dem Problem auf den Tischen.

Wie ordnen Sie das Problem Neukölln in Berlin ein?
Es sind problematische Quartiere, die ihr kriminelles Gesicht schon vor Ausbruch des Gaza-Konflikts gezeigt haben. Etwa bei den Ausschreitungen an den Silvesternächten. Schon lange ist es dort so, dass Homosexuelle von islamistischen Jugendgangs verschlagen und durch die Gassen gejagt werden. Gebildet haben sich dort kriminelle, mafiöse Gang-Strukturen, die sich an keine westliche Ordnung halten und alles bekämpfen, was nicht in ihr Weltbild passt. Sie haben eine Kultur mitgebracht, die Frauenraub zulässt, und wo perverse, pornografische Fantasien ausgelebt werden können.

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