«Die Folge wäre ein endloses Katz-und-Maus-Spiel»
Quelle: Tages-Anzeiger – 13. Januar 2023
Nazisymbole
Künftig könnte die Verwendung des Hitlergrusses oder des
Hakenkreuzes geahndet werden. Experte Samuel Althof warnt vor zu
grossen Erwartungen.
Gregor Poletti
Herr Althof,
wie bedrohlich ist der Rechtsextremismus in der Schweiz?
Der Rechtsextremismus
akzentuiert sich hierzulande nicht so stark wie etwa in Deutschland.
Es gibt zwar eine ganz kleine Szene, die sich wie die Junge Tat
medial zu inszenieren versteht. Aber eine gesellschaftlich bedrohliche
rechtsextreme Bewegung gibt es hier nicht. Rechtsextreme Bedrohungen
sind in der Schweiz bis heute punktuell und nicht strukturell.
Trotzdem soll
jetzt die Verwendung von Nazisymbolen verboten werden.
Wenn der Gesetzgeber
und auch das Volk Ja sagen zu einem Gesetz, das die Verwendung von
Nazisymbolen verbietet, ist das im Grundsatz ein gutes Zeichen.
Wer eine solche Verschärfung befürwortet, muss sich aber
auch bewusst machen, was er damit nicht erreicht.
Nämlich?
Man darf sich
nicht der Illusion hingeben, dass ein solches Verbot Rechtsextremismus
eindämmen könnte. Das sehen wir in den umliegenden Ländern
wie Deutschland und Österreich sehr eindrücklich, die
viel rigidere Verbote kennen als wir, aber damit keinen Rückgang
von rechtsextremistischen Tendenzen und Taten erzielen konnten.
Wie wichtig
sind für Rechtsextreme Symbole wie Hakenkreuz oder Hitlergruss?
Diese beiden
Symbole sind als klares Bekenntnis zur Naziideologie zu werten,
aber nicht mehr. Die Anziehungskraft von zur Schau gestellten rechtsextremen
Symbolen erachte ich als marginal. Zudem muss man sich bewusst sein,
dass es viele Symbole gibt, die von verschiedenen Gruppierungen
unterschiedlich gewertet werden.
Zum Beispiel?
Der Hammer
des Donnergottes Thor galt bei den Germanen als Symbol der Stärke,
Tatkraft und für hohes Alter. Anhänger der Musikrichtung
Heavy Metal schmücken sich oft mit dem Thorhammer, in Skandinavien
gilt er nach wie vor als Zeichen der Verbundenheit zur nordischen
Kultur. Durch Rechtsextreme verschob sich die Bedeutung des Symbols
zu «kämpferisch» und «völkischer Verbundenheit».
Dieses Beispiel zeigt, dass von Rechtsextremen verwendete Symbole
zweideutig sein können. Hier stellt sich für den Gesetzgeber
die Frage, wo er die Grenzen ziehen will. Eine fast unlösbare
Aufgabe, die vor allem zu einem Versteckspiel führt.
Können
Sie das konkretisieren?
Bei einem Verbot
würden Rechtsextreme auf andere Symbole ausweichen wie etwa
die Zahl 88, ein Synonym für den Hitlergruss, da «Heil
Hitler» zweimal mit dem achten Buchstaben des Alphabets beginnt.
Das würde zu einem kontinuierlichen Anpassungsbedarf der entsprechenden
Rechtsnorm führen. Die Folge wäre eine Art endloses Katz-
und-Maus-Spiel, das niemand gewinnen kann.
Hat ein Verbot
von Nazisymbolen wenigstens eine präventive Wirkung?
Wenn ich auf
meine langjährige Erfahrung mit Rechtsextremen schaue, dürfte
ein solches Verbot nichts bringen. Im Gegenteil: Personen aus extremistischen
Kreisen zu suchen und aufzufinden, würde mit einem Verbot von
Symbolen eher noch schwieriger werden, was letztlich unsere Arbeit
erschweren würde.
Also wäre
ein Verbot sogar kontraproduktiv?
So weit würde
ich nicht gehen. Aber wenn wir ein Vergehen gegen ein solches Verbot
lediglich mit einer kleinen Geldstrafe ahnden, wird das keine abschreckende
Wirkung haben. Die Strafen müssten relativ hoch angesetzt sein,
um diesen Effekt zu erzielen. Wichtiger wäre eine gleichzeitig
einhergehende Pflicht, an einem Resozialisierungsprogramm teilzunehmen.
Denn meist führen verborgene soziale und psychische Probleme
Jugendliche in die Fänge von extremistischen und rassistischen
Ideologien.
Hätte
ein Verbot also lediglich symbolischen Charakter?
Tatsächlich
könnte uns ein Verbot ein Gefühl der falschen Sicherheit
vermitteln, da man die bekannten extremistischen Symbole nicht mehr
oder viel weniger oft sehen würde. Andererseits gilt es aber
auch, die berechtigten Ängste etwa der jüdischen Gesellschaft
ernst zu nehmen. Ein Verbot macht am meisten Sinn, wenn wir dieses
eng formulieren und auf nationalsozialistische Symbole beschränken,
verbunden mit klar und hart definierten Strafen. Dann ist es ein
gutes Statement: Nämlich, dass wir hier in der Schweiz niemanden
dulden, der sich offen zum Gedankengut des Nationalsozialismus bekennt.
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Debatte in der Rechtskommission des Nationalrats
Der Hitlergruss
oder das Hakenkreuz sind in der Schweiz nicht grundsätzlich
verboten. Wer mit der Geste seine Sympathien für eine rassistische
Ideologie kundtut, macht sich dadurch noch nicht strafbar. Erst,
wer mit dem Hitlergruss für den Nationalsozialismus wirbt und
versucht, andere für die Ideologie zu gewinnen, muss mit einer
Strafe rechnen.
Das soll sich
ändern, ist Angelo Barrile, Zürcher SP-Nationalrat, überzeugt.
Zurzeit diskutiert die Rechtskommission der grossen Kammer seine
und eine weitere parlamentarische Initiative, die ein Verbot der
öffentlichen Verwendung von extremistischen und rassistischen
Symbolen verlangen. «Die Chancen für ein Verbot sind
hoch, da erstmals der Bund in einem letzten Dezember publizierten
Gutachten sagt, dass eine Umsetzung zwar schwierig, aber doch möglich
sei», sagt Barrile. Der Bundesrat wehrt sich gegen die Einführung
eines solchen Verbots. Sollten die Vorstösse in den Räten
durchkommen, werden diese selbst eine Gesetzesänderung angehen.
Zusätzlichen Druck dürfte die Motion von Mitte-Nationalrätin
Marianne Binder für ein Verbot von Nazisymbolik im öffentlichen
Raum erzeugen: «Seit dem Tabakwerbeverbot darf man keinen
Sonnenschirm mehr aufstellen mit aufgedruckter Zigarettenmarke.
Aber eine Nazifahne an gleicher Stelle soll erlaubt sein.»
Das sei absurd. (gr) gr / Poletti Gregor
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