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«Es wird unnötig mit Angst gearbeitet»
Ausstiegshelfer Samuel Althof über das Bild der Rechtsextremen in den Medien und über ein Pnos-Verbot
Quelle: Basler Zeitung; 18.01.2012

Von Boris Gygax
BaZ: Herr Althof, ist die rechte Szene in der Schweiz für die Bevölkerung wirklich gefährlich?

Samuel Althof*: Nein. Von der rechtsextremen Szene geht keine Gefahr aus, die unseren Staat gefährdet. Die Szene kann jedoch punktuell gefährlich sein. Es ist unerlässlich, die Szene genau im Auge zu behalten, sie zu analysieren und konsequente Prävention gegen Extremismus zu betreiben.
Vor ein paar Jahren wurde noch von einem «grossen Aufschwung» der rechten Szene berichtet.
In den Medien wird die Szene oft bedrohlicher dargestellt, als sie wirklich ist. Das war schon damals so. Die rechte Bedrohung erscheint daher hauptsächlich als ein mediales Thema. Die Szene bleibt aber konstant klein. Die Empörung und das Bedrohungsempfinden der Bevölkerung sind vor allem eine emotionale Reaktion auf primitive rechte Provokationen, die oft zusätzlich durch die Medien verstärkt werden. Es wird unnötig mit Angst gearbeitet, die ihrerseits dann zu unverhältnismässigen Reaktionen führt.

Können Sie das genauer erklären?
Rechtsextremismus grenzt aus und ist menschenverachtend. Meistens steckt hierzulande hinter rechtsextremen Provokationen keine vergleichbare kriminelle Energie, wie wir dies jetzt in Deutschland erlebt haben.

Dass es Kontakte zwischen der Zwickauer Terrorzelle in Deutschland und Schweizer Rechtsextremen gab, ist aber beunruhigend.
Ja, das ist verständlich. Es gibt Kontakte zwischen Rechtsextremen, in ganz Europa, weltweit. Vereinfacht auch durch das Internet. Es bestehen Verbindungen zwischen der rechtsextremen Pnos und der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Man besucht sich gegenseitig, hält Vorträge und organisiert Konzerte. Aber die Zwickauer Nazi-Terrorzelle kann man nicht mit der gesamten rechten Szene gleichsetzen.

Warum nicht?
Das war eine kleine Gruppe mit einer geballten kriminellen Energie. Sie haben nach rassistischen Kriterien kaltblütig Menschen ermordet. Darum muss man sie auch klar als Nazis bezeichnen.

Und wo liegt Ihrer Meinung nach der Unterschied zwischen einem Rechtsextremen und einem Nazi?
Ein Nazi ist bereit, bis zum rassistisch motivierten Mord oder Massenmord zu gehen. Keine rechtsextreme Gruppierung ist in der Schweiz jemals in diese Nähe krimineller Energie gekommen. Nennt man heute in der Schweiz Rechtsextreme so, wie dies immer wieder Zeitungen machen, kommt dies einer Verharmlosung des Nationalsozialismus gleich. Gleichzeitig ist diese ungerechtfertigte Übertreibung eine Form von psychischer Gewalt und politisch dumm.

Wie gross ist die rechte Szene in der Schweiz?
Der harte Kern besteht aus circa 30 bis höchstens 60 Personen. Diese sind wirklich aktiv, der Rest besteht aus Mitläufern. Die Szene hat eine grosse Fluktuation. Beim Aufmarsch auf dem Rütli zeigte sich, dass die Szene sehr übersichtlich ist. Die Polizei registriert und kontrolliert an solchen und ähnlichen Anlässen die anwesenden Personen. So kommt man gesamthaft auf eine Anzahl von etwa 1000 bis 1200.

Welche Rolle spielt die Pnos?
Sie hat keinen Einfluss und hat ihr monatliches Parteiblatt, den «Zeitgeist», mangels Ressourcen und Manpower auf ein vierteljährliches Magazin zurückgestuft.

Es wurde sogar ein Verbot der Pnos gefordert. Würden Sie das befürworten?
Nein, denn dann würde man die Gefahr, die von einer Pnos ausgeht, mit jener von Al Qaida oder der Mafia gleichsetzen. Beide Organisationen sind in der Schweiz verboten. Die aktuelle Analyse zeigt, dass unsere Gesellschaft sehr gut in der Lage ist, auch ohne Verbot der Pnos mit der Provokation Rechtsextremismus effizient umzugehen.

Ein Aussteiger der Baselbieter Szene erzählte, dass es die Idee gebe, pro Kanton eine Organisation zu gründen und alle miteinander zu vernetzen, um mehr Einfluss zu gewinnen.
Es entstehen immer wieder Gruppierungen, die bald wieder verschwinden oder sich umbenennen. So auch im Oberbaselbiet. Doch es fehlt der Szene an vielem. Es gibt immer wieder Versuche, neue Dachorganisationen zu gründen oder Leaderfiguren zu finden. Aber es gelingt ihnen nicht. Die Rechtsextremen scheitern an ihrer eigenen menschenfeindlichen Ideologie.

Können Sie das genauer erklären?
Rechte Leadertypen sind rassistisch, intolerant und nicht kompromissfähig. Ihr Denken ist dominanzorientiert. Sie grenzen Andersdenkende aus, damit auch sich selber. Sie fordern Kadavergehorsam und haben oft bereits eine kriminelle Karriere begonnen. Da wird es schwierig, zahlreiche Personen unter sich zu vereinen.

Sie arbeiten schon seit Jahren mit Aussteigern aus der Szene. Erkennen Sie ein Muster?
Grundsätzlich stelle ich fest, dass alle Betroffenen, die ich kenne, ein schlechtes bis krankhaftes Selbstwertgefühl haben. Man muss aber zwischen zwei Typen unterscheiden. Die einen definieren sich stärker über ihre rechte, dominanzorientierte Ideologie. Wobei diese austauschbar ist. Es geht darum, sein schlechtes Selbstvertrauen durch Ausgrenzung und Entwertung anderer aufzubessern. Der zweite Typ definiert sich mehr über sein Äusseres, das Gewaltbereitschaft signalisiert. Sie erhalten durch ihre kahl geschorenen Köpfe, Bomberjacken und Springerstiefel Beachtung. So werten sie ihr Selbstvertrauen auf.

Das Klischee der harten Schale mit dem weichen Kern?
Ja, und das kann sehr gefährlich werden. Narzisstisch gekränkte Personen können sehr gewalttätig reagieren. Ihnen fehlen die inneren Instrumente, Kränkungen zu verarbeiten. Dann kann es zu psychischer und physischer Gewalt kommen.

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Selbstüberschätzung als System
Die Partei national orientierter Schweizer – das Projekt der Rechtsextremen ist erfolglos
Quelle: Basler Zeitung; 18.01.2012
Von Boris Gygax

Liestal/Basel. Genau heute vor drei Jahren wurde die Sektion beider Basel der Partei national orientierter Schweizer (Pnos) gegründet. Sie glänzte aber bisher nur mit totaler Inaktivität. Aufsehen erregte sie ausschliesslich durch Provokationen im Internet. Der ehemalige Präsident der Sektion wurde wegen Holocaust-Leugnung verurteilt, verlor seine Stelle in der Novartis und flüchtete daraufhin in die Innerschweiz. Auf der Pnos-Website wird trotzdem Zweckoptimismus versprüht.

Die Sektion beschloss nach einem Treffen in Liestal voller Euphorie ihr Fortbestehen: «Man diskutierte ausgiebig über viele Themen und war sich einig, dass die Basler Sektion bestehen bleibt und neue Aktionen in Angriff genommen werden», schrieb die Partei. Das war am 24. September 2011. Geschehen ist bisher nichts. Auch diese Ankündigung – eine leere Versprechung. Die Sektion ist regelrecht verkümmert. «Sie ist bisher sehr inaktiv, besteht momentan aus einem Stammtisch, der sich regelmässig trifft», sagt Pnos-Präsident Dominic Lüthard. Die Sektion beider Basel: Sie scheint am Ende.

Doch plötzlich war die Pnos wieder in aller Munde. Nicht selbst verschuldet. Die Mordserie der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle schockierte nicht nur ganz Deutschland. Als bekannt wurde, dass es auch Kontakte in die rechte Szene der Schweiz gab, zur Pnos und zu ehemaligen Mitgliedern, war der Aufschrei gross. Die Frage, ob dies auch in der Schweiz passieren könnte und wie gross und radikal die Szene in der Schweiz ist, wurde heiss diskutiert. Angst kam auf. Und die Pnos? Sie fand sich unfreiwillig wieder im Rampenlicht, verschwand aber sogleich wieder aus dem Medienrummel.

Keinen Vorstoss eingereicht
Was die Partei bisher erreicht hat, ist bezeichnend für die ganze rechte Szene in der Schweiz. Die Pnos als ihr politisches Projekt und der Versuch, ihre Gesinnung salonfähig zu machen – sie scheiterten deutlich. Der einzige Pnos-Politiker mit einem politischen Amt gab Ende letzten Jahres seinen Rücktritt aus dem Langenthaler Stadtparlament bekannt. Er hat in den letzten zwei Jahren seiner Tätigkeit keinen einzigen Vorstoss eingereicht.

Die Probleme in der Partei sind beispielhaft für die ganze Szene: «Es fehlt uns grundsätzlich an Führungspersönlichkeiten.» Die guten Leute wolle man nicht verheizen, darum nehme man auch vorerst nicht mehr an den Wahlen teil, erklärt Lüthard. Und er nennt noch weitere Gründe für die Misserfolge. «Als Pnos-Politiker muss man eine grosse Bürde seitens der Medien und auch des Arbeitgebers auf sich nehmen», klagt er.

Die Vorstösse – wenn es dann welche gab – seien nie diskutiert und kategorisch abgelehnt worden. Die Begründung der anderen Parlamentarier: Vorstösse von Rechtsextremen lehnen wir ab, so Lüthard. Zum Schluss die obligate Prise Zweckoptimismus: «Trotz den Misserfolgen sind wir motiviert weiterzumachen.» Einfluss: Fehlanzeige. Den wichtigsten Grund, warum sich die Pnos auch in Zukunft nicht aus der politischen Bedeutungslosigkeit erheben kann, nannte Lüthard nicht. In der Schweiz gibt es weder in der Bevölkerung noch bei Politikern Bedarf an extremer Politik.

Aufmarsch als einziges Mittel
Trotzdem wird beharrlich von einer Gefahr der rechten Szene gesprochen und geschrieben. Auch vor zehn Jahren war der Tenor in den Medien düster. Die rechte Szene bekunde «Aufschwung», sie wolle «raus aus der Illegalität und massentauglich werden», bei der Feier der Schlacht von Sempach vor zwei Jahren sei «der Faschismus auf dem Vormarsch», berichtete das Schweizer Fernsehen.

Tatsächlich. Am Nationalfeiertag versammelten sich dazumal auf dem Rütli etwa hundert Personen, welche ihre Gesinnung offen zeigten. Ein durchaus einschüchternder Aufmarsch der «Glatzen». Die anderen Besucher waren gleichermassen beeindruckt, beängstigt und beunruhigt – damit haben die Aktivisten ihr Ziel erreicht. Solche Aufmärsche sind auch ihre einzigen Mittel, effektiv Einfluss zu nehmen.

Die Reaktionen der Bevölkerung auf solche Provokationen sind emotional, rechte Ansichten verursachen Empörung und Kopfschütteln. Nach der Mordserie in Deutschland und deren Verbindungen in die Schweiz wurde die Angst noch grösser. Sogar ein Verbot der Pnos wurde gefordert.
Warum dies der falsche Weg ist und man von dieser Szene sicherheitspolitisch nichts zu befürchten hat, erklärt Samuel Althof. Er ist Fachmann für Extremismusprävention und betreibt in Basel eine Praxis für psychologische Beratung.

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