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Der Präsident der Basler Pnos-Sektion verbreitet im Netz antisemitische Propaganda – eine Strafanzeige ist eingereicht
NZZ Online – 23. Mai 2020

Tobias Steiger fordert gegenüber einem Journalisten die Sterilisation von Juden. Diese Aussage widerspreche der Antirassismusstrafnorm, findet eine Basler NGO und hat Steiger angezeigt.

Georg Häsler Sansano, Bern

Auf Facebook wird ein Teil seiner Posts gleich wieder gelöscht, kaum sind sie online: Tobias Steiger, Sektionspräsident des Basler Ablegers der rechtsextremen Partei National Orientierter Schweizer (Pnos), verbreitet derart eindeutig rassistische Inhalte, dass sie regelmässig in den Filtern der sozialen Netzwerke hängenbleiben.

So sieht Steiger hinter der Corona-Krise eine jüdische Verschwörung. Die Rothschild-Dynastie und die amerikanische Rockefeller-Stiftung unterstützten die Finanzierung eines Chip-Zertifikats für eine Impfkampagne, die letztlich der Dezimierung und Sterilisierung der Weltbevölkerung diene. Diese unhaltbare Theorie diktierte er Tamedia-Redaktor Kurt Pelda ins Notizbuch, der den Austausch mit Steiger gegenüber der NZZ bestätigt.
Chat mit Journalist auf Partei-Blog veröffentlicht

Die antisemitische Tirade endete mit der indirekt zitierten Aussage, es sei «im Gegenzug bloss gerecht, wenn man die Juden ihrerseits zwangssterlisierte». Steiger autorisierte diese Aussage in einem Whatsapp-Chat. Journalist Pelda kürzte die Passage allerdings aus seinem Bericht über die Hintergründe der Corona-Rebellen und begründete dies gegenüber Steiger mit dem Fokus seiner Berichterstattung.

Der Basler Pnos-Präsident veröffentlichte den Dialog mit Pelda daraufhin unter dem Titel «Schluss mit Lügen und Zensur» auf der Partei-Homepage. Steiger will damit belegen, dass die Medien gesteuert seien und Mitarbeiter «beschnitten» würden, wenn sie «etwas vermitteln möchten».

Auf Anfrage wiederholt Pelda die Begründung, weshalb der Abschnitt nicht erschienen sei: «Der Artikel, den ich damals schrieb, drehte sich um die Corona-Demos. Wir mussten den Text kürzen, und weil Steiger selbst nicht an der Demo war und die Demonstranten nicht so mag, war die Passage eine natürliche Anwärterin für die Streichung.»
«Klarer Fall von NS-Gedankengut»

Am Donnerstag hat Samuel Althof, Betreiber der Fachstelle Extremismus- und Gewaltprävention (Fexx), bei der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft gegen Steiger und die Pnos eine Strafanzeige eingereicht. Althof geht davon aus, dass die Aussagen im Blog-Eintrag die Antirassismusstrafnorm verletzten.

In seiner Anzeige schreibt Althof, der «herabwürdigende Inhalt» suggeriere klar, dass Gewalt gegen jüdische Mitmenschen in Ordnung sei, «ja verherrlicht diese geradezu als erstrebenswerte Taten und ruft damit auch dazu auf». Es gehe ihm darum, dass der Rechtsstaat eine klare Grenze setzen müsse, erklärt Althof gegenüber der NZZ seine Beweggründe, Steiger und die Pnos anzuzeigen.

Die verschiedenen Verschwörungstheorien zum Coronavirus basierten oft auf den bekannten antisemitischen Mustern. Dazu gehört das Stereotyp finanzieller Verflechtungen und geheimer Bestrebungen nach einer Weltregierung. Im Netz tobt ein regelrechter Kampf um die Deutungshoheit der verschiedenen Theorien und Fake-News.

Steiger bediene sich überdies der nationalsozialistischen Rassenlehre, sagt Althof. Der Basler Pnos-Präsident propagiere mit seinen Aussagen einen pränatalen Judenmord. «Das ist ein klarer Fall von NS-Gedankengut. Dafür gibt es keinen Zentimeter Toleranz, gerade weil viele Leute wegen des unsichtbaren Coronavirus verängstigt sind und nach einfachen Erklärungen suchen.»

Extremismusexperte Althof bezeichnete die Pnos bisher als politische Randerscheinung und fokussierte stets auf Deeskalation. Doch die jüngsten Aussagen Steigers seien das Schlimmste, was er im Rahmen seiner Präventionsarbeit der letzten zwanzig Jahre gesehen habe: «Wenn das nicht gestoppt werden kann, haben wir ein echt grosses Problem und tolerieren einen Schrittmacher vom Wort zur Tat.»
Steiger antwortet nicht

Laut Journalist Pelda ist Steiger innerhalb der Pnos umstritten. In einer internen Umfrage wünschen sich die Mitglieder der Partei, die sich als sozial und national bezeichnet, keine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Steiger dagegen postet auf Facebook Bilder mit SS-Symbolen.

Die Pnos vollführte in der Vergangenheit stets einen Kantengang zwischen politischem Extremismus und dem Image aufrechter Schwiegersöhne. Mit Proporzglück gelangten Vertreter der Partei auch in die Lokalpolitik, scheiterten aber regelmässig an der Ernsthaftigkeit des Amtes – und an entlarvenden Äusserungen in der Öffentlichkeit.

So sagte ein frisch gewählter Pnos-Stadtrat aus Langenthal im Schweizer Fernsehen, er wehre sich dagegen, dass die Rassen sich mischten. Mit Katzen und Hunden mache man dies ja auch nicht. Zudem gab es stets Doppelmitgliedschaften von Pnos-Exponenten, die teilweise auch gewaltbereiten Gruppen des rechtsextremen Spektrums angehören.

Tobias Steiger hat auf Anfrage der NZZ, sich zu seinen Aussagen und der Strafanzeige gegen ihn zu äussern, nicht geantwortet. Der fragliche Blog-Eintrag war am Freitag immer noch aktiv. Journalist Pelda hält die Anzeige für angebracht.

 

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