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Medienanalyse


Artikel der Schweizer Presse zum Thema der Hausdurchsuchungen, angeordnet von der Deutschen Bundesanwaltschaft in mehreren europäischen Ländern, wegen des Verdachts der Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung vom 17.07.2013

Link zur Presseerklärung der Bundesanwaltschaft in Deutschland


Basler Zeitung, Der Bund, Tages-Anzeiger online

«Es gibt gemeinsame Rituale und Treffen»

Interview: Lorenzo Petrò. Aktualisiert vor 15 Minuten
Quelle: Basler Zeitung, Der Bund, Tages-Anzeiger online, 17.07.2013

Heute fanden Razzien bei Mitgliedern der rechtsextremen Werwolf-Zelle statt. Der Basler Extremismus- und Gewaltexperte Samuel Althof ordnet diese Organisation ein.

Wer ist der Schweizer Sebastien N., der verdächtigt wird, Anführer einer rechtsextremen Terrorgruppe aus Deutschland zu sein?
Ein hoch gewaltbereiter, dominanzorientierter Mensch. Er glaubt zu wissen, was richtig und falsch ist, und lässt absolut nicht mit sich diskutieren.

Und er ist nicht allein mit seiner Weltanschauung. Was ist diese Werwolf-Zelle, die er anführen soll?
Eine Gruppe innerhalb der rechtsextremen Szene, die sich als Bruderschaft versteht. Es gibt gemeinsame Rituale und Treffen. Sie verbindet der Werwolf als Emblem.

Wie sind diese Werwölfe organisiert?
Wie wir Nichtrechtsextremisten auch: Man kommuniziert auf Facebook, trifft sich mit Kollegen aus dem In- und Ausland zum Grillieren. Hier von einem Terrornetzwerk zu sprechen, wie es der «Spiegel» tut, ist jedoch völlig übertrieben. Wenn sechs Personen ein Terrornetzwerk sind, was ist dann al-Qaida?

Die Gruppe hat offenbar das Ziel, mit Bombenanschlägen das deutsche System zu stürzen.
Rechtsextreme pflegen eine sehr gewaltaffine Sprache und Rhetorik. Umso mehr, wenn Alkohol im Spiel ist. An manchem Schweizer Stammtisch wird Ähnliches gefordert, weil es sich bei diesen Menschen aber nicht um Rechtsextreme handelt, geht dem aber niemand nach.

Muss man diese nicht ernst nehmen? Immerhin wird Sebastien N. verdächtigt, einen Menschen im Zürcher Niederdorf erschossen zu haben?
Doch, aber diese Razzia wird extrem heiss gekocht. Es ist niemand festgenommen worden, was darauf hindeutet, dass die Polizei zwar den Verdacht hat, dass hinter der Kriegsrhetorik etwas stecken könnte. Zu diesem Zweck fanden die Haus- und Zellendurchsuchungen statt. Im Moment sieht die Polizei offenbar aber keinen Grund, weiter einzugreifen.

Keine Verhaftung, keine akute Gefahr. Ist es so einfach?
Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird nichts passieren. Von den sechs Mitgliedern sind zwei vor längerer Zeit verhaftet worden. Die übrigen lässt man nach wie vor frei herumlaufen. Eine aufmerksame Polizei rechnet jederzeit mit allem. Aber von dieser kleinen Gruppe geht wohl keine ernsthafte Terrorgefahr aus. Sonst hätte man sie nicht laufen lassen. Aber natürlich kann sich die Situation auch in diesem Fall ändern. (baz.ch/Newsnet)

Fachstelle Extremismus- und Gewaltprävention
Die Basler Fachstelle Fexx, deren Leiter Samuel Althof ist, richtet sich sowohl an ausstiegswillige Rechts- als auch Linksextremisten, an Behörden, Arbeitgeber, Betroffene und die Öffentlichkeit. Sie ist aus der «Aktion Kinder des Holocaust» hervorgegangen, einem Verein, der sich aus Angehörigen von Holocaust-Überlebenden zusammensetzt. Vor rund 20 Jahren begann dieser, Daten und Informationen über antisemitische, rassistische und extremistische Ereignisse und Entwicklungen zu sammeln. Weiter klärt er die Öffentlichkeit über Antisemitismus, politischen Extremismus sowie über Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass auf.

Erstellt: 17.07.2013, 17:50 Uhr


Aargauer Zeitung

Neonazi Sebastien N. gerät erneut ins Visier der Behörden

Razzia Bei einem inhaftierten Schweizer wurde die Zelle durchsucht – er steht in Verdacht, in einer internationalen rechtsextremen Organisation eine tragende Rolle zu spielen.
Quelle: Aargauer Zeitung / MLZ; 18.07.2013
Von Dominic Kobelt

In der Schweiz, Deutschland und Holland wurden Durchsuchungen bei sechs Angehörigen der rechtsextremen Szene durchgeführt. Wie der «Spiegel» meldet, sollen sechs Verdächtige gemeinsam mit unbekannten Komplizen ein «Werwolf»-Kommando geplant haben: Abgeleitet von der Werwolf-Taktik der Nazis im Zweiten Weltkrieg, die kurz vor dem Zusammenbruch des NS-Regimes Guerilla-Einheiten in den Kampf schicken wollten.

Schweizer leisten Rechtshilfe

Ihr Ziel sei es, das politische System der Bundesrepublik gewaltsam zu beseitigen, so der «Spiegel». Unter anderem hätten die Verdächtigen Bombenanschläge erwogen. Zudem gab es Razzien in Gefängniszellen von zwei Beschuldigten in der Schweiz, teilte die deutsche Bundesanwaltschaft in Karlsruhe (Baden-Württemberg) mit. Den Durchsuchungen waren offenbar längere – auch verdeckte – Ermittlungen im Vorfeld vorausgegangen.

Festgenommen wurde nach Angaben der obersten deutschen Anklagebehörde niemand. Hingegen berichtete die niederländische Polizei von einer Festnahme im Zuge der Razzia in der Nähe von Den Haag. Die deutschen Behörden baten mithilfe eines Rechtshilfegesuches um Schweizer Unterstützung. Wie Staatsanwalt Marcel Strassburger der «Nordwestschweiz» bestätigte, wurden zwei Gefängniszellen und eine Wohnung durchsucht.

Ebenfalls bestätigt hat Strassburger, dass es sich bei der einen Gefängniszelle um diejenige des Neonazis Sebastien N. aus Grenchen handelt. Ziel der Durchsuchungen war es, Beweise für mögliche Anschlagspläne und Vorbereitungen zu sichern. Sebastien N. sitzt im Gefängnis: Er hat am 5. Mai 2012 im Zürcher Niederdorf einem 26-jährigen Schweizer in die Brust geschossen und ihn schwer verletzt. Offenbar handelte es sich um eine Abrechnung in der rechtsextremen Szene. Die Kantonspolizei Zürich fahndete nach dem flüchtigen Neonazi, der zwei Tage später in Deutschland festgenommen wurde.

Uneinsichtig und gut vernetzt

Samuel Althof, Experte für Extremismus, beschreibt Sebastien N. als gewaltbereit und uneinsichtig. «Er hat eine hohe kriminelle Energie und ein hohes Vernetzungspotenzial – sonst hätte er damals in Deutschland nicht so schnell Unterschlupf gefunden.» Allerdings handle es sich bei den Werwölfen um eine kleine Gruppierung.

Althof gibt aber zu bedenken: «Man muss berücksichtigen, dass niemand verhaftet wurde. Ausserdem geht es um sechs Personen, es scheint mir fraglich, in diesem Zusammenhang von einem Terror-Netzwerk zu sprechen.» Auch könne er sich schwer vorstellen, dass N. aus dem Gefängnis heraus viel organisiert habe. Viele Dinge seien im Moment noch unklar.

Werwolf ist auch weisser Wolf

Offenbar war N. auch Mitglied in einer weiteren Organisation, die sich «Weisse Wölfe Terrorcrew» (WWT) nennt. In einer Info-Broschüre der Antifa-Organisation «Autonome Presse Gruppe» ist er explizit erwähnt. Die WWT sei erstmals 2008 in Erscheinung getreten und war ursprünglich eine Fangruppierung der rechtsradikalen Band «Weisse Wölfe». Die Organisationsstruktur sei darauf ausgelegt, möglichst undurchschaubar zu sein. «Bislang bekannt sind Sektion Hannover, Sektion Helvetia (Schweiz), eine Sektion in der Region Wittstock/Dosse und die Sektion Hamburg.» Bei der WWT handle es sich um eine über die Bundesgrenzen hinaus agierende Neonazi-Gruppierung, deren Sektionen teilweise gemeinsam auf Demonstrationen oder Veranstaltungen auftreten, so die «Autonome Presse Gruppe».


Die Südostschweiz

«Wahrscheinlich ein psychisch Auffälliger»
Quelle: Die Südostschweiz; 18.07.2013

Mit Samuel Althof * sprach Viola Pfeiffer
Herr Althof, was kann das für Folgen haben, wenn jemand in diesem Ausmass rassistische Tweets postet?

Samuel Althof: Der Mobilisierungs effekt ist sehr gering. Wir haben festgestellt, dass solche Gruppierungen nur dann funktionieren, wenn sie in der Realität auch aufrechterhalten werden. Solche Einträge in sozialen Medien sorgen kaum dafür, dass sich rassistisch Gesinnte vereinen.
Die Sprüche, die er verbreitet, sind vor allem eines: beleidigend. Dies aber ohne viel Inhalt oder Zusammenhang. Kommen solche Dinge oft vor?

Bei Rassisten unterscheiden wir in der Regel zwischen zwei Formen: den Programmatischen und dem Symptomatischen. Die Program matischen sind zum Beispiel Leute von der PNOS (Partei National Orientierter Schweizer), die einem politischen Programm folgen, eine Ideologie haben. Die Symptomatischen sind diejenigen, die eine rechtsextreme Form erreichen, ohne dass sie politische Ziele verfolgen. In der Regel sind das Leute mit Störungen in der Biografie, die vielleicht Schlimmes erlebt haben. In dieser zweiten Gruppe sind solche zusammenhangslose Parolen oft der Fall.

Was sind die richtigen Massnahmen für solche Leute?

Es hängt natürlich vom Ausmass des Rassismus ab. Wenn jemand wie René S. rassistische Parolen verbreitet, die einfach nur zusammenhangslos und dumm sind, kann man davon ausgehen, dass es sich um jemanden mit psychischen Auffälligkeiten handelt. In der Regel erwartet diese Leute eine Geldbusse. In solchen Fällen sollte man sie aber nicht verfolgen, sondern eine Therapie machen oder psycho soziale Massnahmen ergreifen.

René S. rühmte sich, der Division Werwolf Schweiz anzugehören. Kann man das ernst nehmen?Nein, das ist nicht ernst zu nehmen. Um die Division Werwolf ist in letzter Zeit ein Hype entstanden, dabei ist das eher ein kleinkriminelles Milieu. Leute wie R. S. bedienen sich eines populären Namens, um sich aufzuspielen. Diesen Mitmach-Effekt gibt es oft, wenn solche Geschichten an die Öffentlichkeit kommen.


* Samuel Althof ist Leiter der Fachstelle Extremismus- und Gewaltprävention (Fexx).

Glarner wegen rassistischen Tweets festgenommen
Die Südostschweiz; 18.07.2013

Ein 39-jähriger Schwander ist am Dienstag wegen seinen Twittereinträgen verhaftet worden. Er hat über Monate rechtsradikale und rassistische Mitteilungen auf der Plattform verbreitet.
Von Viola Pfeiffer
Glarus. – «Kann mal ein Schweizer den hier anzeigen?» – «Mir fehlen die Worte» – «Mir wird speiübel»: So lauten Kommentare unter einem Tweet von René S.* Dem Wunsch ist inzwischen Folge geleistet worden: «In den letzten Wochen gingen viele Meldungen über einen Mann bei uns ein, der rechtsradikale Parolen auf Twitter verbreitet», erklärt Kurt Baumgartner, Stabsoffizier der Kantonspolizei Glarus. «Wir sind diesen Hinweisen nachgegangen. Am Dienstag ist es uns schliesslich gelungen, den Mann zu verhaften.»

René S. sei vollumfänglich geständig. «Er bezeichnet sich selber als Rechtspatriot», so Baumgartner. Inzwischen befinde er sich wieder auf freiem Fuss. «Die Befragungen sind abgeschlossen. Nun muss sich der Geständige vor der Staatsanwaltschaft verantworten.»

Ordner voller Waffenbilder

Über Monate hinweg hat der 39-jährige Rechtsradikale judenfeindliche, rassistische und frauenfeindliche Tweets auf der Socialmedia-Plattform Twitter gepostet.

Auf seinem Facebook-Profil ist neben Bildern von seinen Hunden auch ein ganzer Ordner voll Waffenbilder zu finden. Ausserdem schreibt er auf Facebook, er sei Fan von bekannten rechtsradikalen Bands wie Stahl gewitter, Nordfront oder Kärbholz.

Widersprüchliche Einträge

Jedoch widersprechen sich die Einträge von René S. auch immer wieder. Noch vor zwei Jahren schrieb der Tätowierer auf Facebook, dass er niemals Hakenkreuze tätowieren würde und dass Nazis und Faschos das Letzte seien. In den letzten Monaten postete er auf Twitter aber immer wieder Naziparolen wie «Heil Hitler» oder «Sieg Heil», und auf Facebook findet man Fotos seiner Hakenkreuztätowierung auf dem Rücken.

Samuel Althof, Leiter der Fachstelle Extremismus- und Gewaltprävention, hält das für symptomatisch. «Das ist ein Zeichen dafür, dass er realitätsfremd ist. Mit diesen Einträgen möchte er auf sich aufmerksam machen», so Althof. «Rassismus ist dominanzorientiertes Denken. Das heisst, dass jemand, der so denkt, immer glaubt, im Recht zu sein und sein Gegenüber im Unrecht.» Diesen verletze er dann auch, indem er harte Beleidigungen ausspreche. «Solche Leute sind dann oft kaum mehr zu bremsen.»

Keine Kontakte zur rechten Szene

René S. hatte via Twitter vereinzelt Kontakt mit amerikanischen und deutschen Gleichgesinnten, mit denen er auch rassistisches Gedankengut austauschte. Kurt Baumgartner von der Kapo Glarus geht aber nicht davon aus, dass er richtigen Kontakt mit der rechtsextremen Szene hat. «Beim momentanen Stand der Ermittlungen haben wir keine Anhaltspunkte dafür, dass Gruppierungen dahinter stecken könnten.»


Gleichzeitiger Fall in Deutschland

René S. behauptet ausserdem auf Twitter, der Division Werwolf Schweiz anzugehören. Vor allem in Deutschland sorgt diese Vereinigung in letzter Zeit für Schlagzeilen. Gestern haben in Norddeutschland, den Niederlanden und in der Schweiz Durchsuchungen und Verhaftungen stattgefunden (siehe Seite 13). Auch Althof bezweifelt, dass René S. wirklich zur Division Werwolf gehört.

* Name von der Redaktion geändert.


Neue Zürcher Zeitung

Grosse kriminelle Energie einzelner Neonazis
In der Schweiz haben die Rechtsextremen wenig Anhänger, sie fallen aber durch Gewalttaten auf
Quelle: Neue Zürcher Zeitung; 19.07.2013

Die rechtsextremistische Szene in der Schweiz ist auf tiefem Niveau stabil, aber eng mit den deutschen Neonazis verbunden. Bei den Hausdurchsuchungen vom Mittwoch wurden diverse Dokumente beschlagnahmt.

Fabian Baumgartner, Marcel Gyr
Die von der deutschen Generalbundesanwaltschaft am Mittwochmorgen veranlasste Operation gegen eine rechtsextreme Gruppierung in Norddeutschland, den Niederlanden und der Schweiz wirft ein Schlaglicht auf die hiesige Neonazi-Szene. In der Schweiz werden derzeit rund 1000 bis 1300 Personen zur rechtsextremen Szene gerechnet. Laut Samuel Althof, Leiter der Fachstelle Extremismus- und Gewaltprävention in Basel, sind rund 30 Personen dem harten Kern zuzurechnen.

Im tiefen Bereich stabil

Diese seien auch parteipolitisch, etwa bei der Partei national orientierter Schweizer (Pnos), aktiv. Gewalttätig sind laut Althof aber vor allem die Sympathisanten. Die Gefahr von terroristischen Anschlägen hält der Experte jedoch für äusserst gering. Dies im Gegensatz zu Deutschland, wo die gewaltbereiten Gruppen viel stärker in Erscheinung treten.

Die Aktivität der rechtsextremistischen Szene sei in der Schweiz im tiefen Bereich quantitativ stabil, heisst es auch im neuen Lagebericht des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), der sich auf das Jahr 2012 bezieht. An dieser Einschätzung habe sich nach der Operation der deutschen Justizbehörden nichts geändert, heisst es aus dem NDB.

Bei einem 54-jährigen Schweizer wurden im Zuge der Operation die Wohnung und das Büro durchsucht. Zwei weitere Durchsuchungen wurden im Gefängnis durchgeführt, eine davon beim 25-jährigen Sebastien N. Er wird beschuldigt, im Mai letzten Jahres im Zürcher Niederdorf auf einen Gesinnungsgenossen geschossen zu haben. Laut Auskunft der Zürcher Staatsanwaltschaft ist Sebastien N., der sich nach wie vor in Untersuchungshaft befindet, geständig, die Schüsse abgegeben zu haben. Offen ist, ob er auch die von der Staatsanwaltschaft geltend gemachte versuchte vorsätzliche Tötung akzeptiert. Jedenfalls dürfte hinter der Schussabgabe eher eine persönliche Abrechnung als ein rechtsextremes Motiv stecken.

Dies deckt sich mit der Lagebeurteilung des NDB, wonach Gewaltakte von Neonazis häufig keinen ideologischen Hintergrund haben. Ausnahmen bilden Übergriffe auf Einrichtungen im Asylwesen und mehrere Körperverletzungen. Zum Vergleich: Den insgesamt 46 Ereignissen, die 2012 gewalttätigen Rechtsextremisten zugerechnet wurden, stehen fünf Mal so viele Ereignisse gegenüber, die in den Bereich des gewalttätigen Linksextremismus fallen.

Schulungen an der Waffe

Sorgen bereiten den Ermittlungsbehörden die Affinität der Neonazis zu Schusswaffen, die gesammelt, gehandelt und auch über die Grenze geschmuggelt werden. So soll die Tatwaffe im Fall NSU, bei der zehn Personen umgebracht wurden, zuerst durch mehrere Schweizer Hände gegangen sein, ehe sie bei der rechtsextremen Zelle in Ostdeutschland ankam.

Im Zusammenhang mit der jetzigen Operation schreibt der Generalbundesanwalt in Karlsruhe von einer rechtsterroristischen Vereinigung. Deren Mitglieder werden verdächtigt, ein Werwolf-Kommando gegründet zu haben mit dem Ziel, das politische System der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen. Ermittelt wird gegen sechs Personen. «Die Gruppe funktioniert wie eine Bruderschaft», sagt der Extremismus-Experte Althof. Man organisiere Treffen und soziale Events. Die Ränder der Gruppen seien jedoch fliessend. Mehrere Mitglieder des Werwolf-Kommandos hatten Verbindungen zu anderen rechtsextremen Gruppierungen. Auch die Benennung der Gruppen ändert häufig. In das krude Geschichtsverständnis passe auch der Rückgriff auf die Werwolf-Taktik der Nazis, so Althof.

In der Gruppe aktiv war auch Jonas S. Dieser ist auf Fotos zusammen mit Sebastien N. und weiteren Rechtsextremen zu sehen. Der 30-jährige Berner Oberländer war 2011 Nationalratskandidat der Schweizer Demokraten. Für Schlagzeilen sorgte er aber weniger mit politischen Forderungen als mit seinen Auftritten. Als die «Sonntags-Zeitung» eine Aufnahme von S. publizierte, die ihn in Hitlergruss-Pose im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald zeigt, wurde er aus der Partei ausgeschlossen.

Öffentlich in Erscheinung trat die Gruppierung erst einmal: Im vergangenen Februar riefen sie unter dem Namen «Legion Werwolf» zu einem Fackelzug durch die Stadt Bern auf, der jedoch kurzfristig wieder abgesagt wurde. Als Mitorganisator trat Jonas S. in Erscheinung. Die rechtsextremen Verflechtungen zwischen der Schweiz und Deutschland sind seit Jahren eng. So reisen deutsche Neonazis für Schulungen an der Waffe in die Schweiz. Auch über Foren und soziale Netzwerke tauschen sich die Rechtsextremen der beiden Länder regelmässig aus. Laut Althof sind die Behörden in Deutschland wie in der Schweiz bei der Überwachung der Szene sehr aufmerksam. Hierzulande sind die Rechtsextremen nicht nur auf den Schirmen von Nachrichtendienst und des Bundesamts für Polizei. Auch auf Kantonsebene wurden Strukturen zur Überwachung der Szene geschaffen.

Langes Prozedere zu erwarten

Laut Auskunft von Marcel Strassburger von der Zürcher Staatsanwaltschaft, welche die Hausdurchsuchungen in mehreren Kantonen durchgeführt hat, wurden diverse Dokumente beschlagnahmt. Diese werden nur dann ungeprüft nach Deutschland weitergeleitet, wenn die beschuldigten Personen ihr Einverständnis dazu geben. Wahrscheinlicher ist der Fall, dass die Dokumente zuerst in der Schweiz ausgewertet und auf «potenzielle Erheblichkeit» überprüft werden. Gegen das Resultat beziehungsweise gegen die Schlussverfügung können die Betroffenen wiederum Beschwerde am Bundesstrafgericht in Bellinzona einreichen.

Zu Festnahmen war es am Mittwoch nicht gekommen. Gemäss Angaben der deutschen Ermittlungsbehörden haben sich bis anhin keine tatsächlichen Anhaltspunkte für konkrete Anschlagsvorbereitungen ergeben.


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