Krawall
hat die Botschaft der Aktivisten gekapert
Quelle: Aargauer
Zeitung 28.05.2013
Bern ·
Linksextreme und ihre Mitläufer – die Polizei nennt Details,
ein Flugblatt bringt Licht in den Strassenkampf und ein Experte
erklärt, warum «Tanz dich frei» in Gewalt ausarten
musste.
Von Daniel
Fuchs
Die Berner
Kantonspolizei liess noch am Sonntag alle 61 in der Nacht zuvor
festgenommenen Personen wieder laufen, bestätigte die Sprecherin
Corinne Müller der «Nordwestschweiz». 46 stammen
aus dem Kanton Bern und vier aus dem Kanton Zürich. Unter den
an der Strassenschlacht am Rand des «Tanz dich frei»-Umzugs
vorübergehend festgenommenen Personen waren auch mehrere Ausländer.
Gut möglich also, dass unter den Randalierern Krawalltouristen
waren ohne jegliche politische Motivation.
Das glaubt
auch Samuel Althof. Der Extremismusexperte berät Links- und
Rechtsextremisten, die aus der Szene aussteigen wollen. Für
Althof ist aber ebenso klar: «Bei einem Anlass mit mehr als
8000 Teilnehmern muss man damit rechnen, dass es zu Gewalt kommt.»
Das Handbuch
der Gewalt
Nun will die
Stadt Bern die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Die Behörden
machen auch die anonymen Organisatoren von «Tanz dich frei»
verantwortlich. Aus Althofs Sicht könnten die Veranstalter
für die Ausschreitungen aber nichts, bestimme doch der gewaltbereite
Teil autonom, wann und wo er zuschlägt. Für die gewaltbereiten
Extremisten ist der gesamte öffentliche Raum potenzielle Kampfzone.
In einem Handbuch, einer der «Nordwestschweiz» zugespielten
Flugschrift, steht: «Es gibt nur noch überwachte oder
noch nicht überwachte Orte.» Linksextreme legitimieren
ihren Strassenkampf, indem sie auf das Gewaltmonopol des «bürgerlichen
Staats» hinweisen, der mit seinem Sicherheitsapparat den öffentlichen
Raum besetze. Das Papier der Radikalen fährt fort: «Im
Strassenkampf wird das Gewaltmonopol des bürgerlichen Staates
infrage gestellt und revolutionäre Gegenmacht demonstriert.»
Der öffentliche Raum als Spiegelbild der kapitalistischen Gesellschaft,
die diesen wenn notwendig mit Polizeigewalt verteidigt – damit
also legitimiert die Linksextreme ihren Strassenkampf. Dass sie
sich dazu «Tanz dich frei» ausgesucht hat, liegt auf
der Hand: Auch diese Veranstaltung warb mit der Rückeroberung
des öffentlichen Raums. «Die Linksextremen haben am Wochenende
die Aussage der friedlichen Aktivisten gekapert», sagt Althof.
Die Gewalt
unter uns
Diese Kaperung
hat am Wochenende ihr hässliches Gesicht gezeigt. Wo liegt
eine mögliche Lösung? Der Experte bleibt realistisch und
warnt: «Ein gewisses Gewaltpotenzial bleibt immer in der Gesellschaft
bestehen.» Zwar ortet auch Althof vereinzelte Lösungen
in repressiven Massnahmen, doch «können sie niemals verhindern,
dass extremistische Kreise Polizisten angreifen und Wände verschmieren».
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