«Später
knallt es dann an einem andern Ort»
Rechtsextreme
mobilisieren im Raum Bern zum Fackelmarsch im Gedenken an die Bombardierung
Dresdens 1945. Extremismus-Experte Samuel Althof kennt die rechtsextreme
Szene und ihre Köpfe.
Quelle: Der Bund; 12.02.2013
Matthias Ryffel
Herr
Althof, Jonas
Schneeberger, einstiger Nationalratskandidat der Schweizer Demokraten,
plant einen Fackelmarsch rechtsextremer Kräfte im Raum Bern.
Schneeberger sprach am Montag mit im Namen einer Gruppe namens «Legion
Werwolf». Wie ist diese einzuordnen?
Das ist eine rechtsextreme, instabile Gang, teilweise gewaltorientiert.
Solche Gruppen orientieren sich in der Regel vor allem nach innen
und organisieren Feste für sich selber. Sie bleiben meist unter
sich und treten selten mit ihren Anliegen an die Öffentlichkeit.
Die rechtsextreme Szene teilt sich oft in solch kleinere Gruppierungen
auf. Ihre Mitglieder nennen das dann «Familie» oder
wie in diesem Falle «Bruderschaft». Damit versuchen
sie, eine Stimmung tiefer Verbundenheit zu kreieren, wie in einer
Familie. Diese Beziehungen sind aber klar konditioniert. Sie funktionieren
nur, wenn die Gesinnungscodes eingehalten werden: Sagt einer ein
falsches Wort, fliegt er raus. Von echten Freundschaften im Sinne
einer gesunden Beziehungswelt kann keine Rede sein.
Für
wie gefährlich halten Sie die Gruppe?
Das sind Leute mit Gewaltpotenzial, die gerade an einem solchen
Fackelzug aber nicht zwingend gewalttätig werden. Rechtsextreme
wollen von der Gesellschaft akzeptiert werden, deshalb kriegen sie
es hin, dass an ihren Demos oftmals nichts passiert. Später
knallt es dann an einem andern Ort.
Die
Verbindungen zu Deutschland sind aber vorhanden?
Die sind fraglos da. Schneeberger hat den Anlass gemeinsam mit einer
in Deutschland wohnhaften Person organisiert, auch wenn er es bestreitet.
So wie andere Menschen haben Rechtsextreme ihre Freunde im Ausland,
sind vernetzt. Diese Kontakte dürften aber ähnlichen Kalibers
sein wie Schneeberger selbst. Dass einer davon etwa Horst Mahler
(Prominenter deutscher Rechtsextremer und Holocaustleugner, Anm.
d. Redaktion) persönlich kennt, bezweifle ich.
Welchen
Kalibers ist denn Jonas Schneeberger?
Schneeberger versucht politisch Fuss zu fassen, geht aber immer
wieder zu weit und kann sich von seiner rechtsextremen Vergangenheit
nicht lösen.
Zeigt
nicht das jüngste Beispiel der rechten Terrorzellen Deutschlands,
dass man diese Gruppierungen auf keinen Fall unterschätzen
darf?
Schneeberger wollte 50 Personen
mobilisieren, was ich als realistisch einschätze. Verglichen
mit andern Demonstrationen ist das ein Witz. Die Vorstellung von
schlagkräftigen Geheimorganisationen ist verfehlt, dafür
haben diese Leute längst nicht die Power.
Auf
die Frage, ob er nationalsozialistisches
Gedankengut teile, antwortete Schneeberger
gegenüber dem «Bund»: Er sei «nationaler
Sozialist» und finde nicht alles gut, was als faschistisches
Gedankengut gilt. Fragt man nach, wie sich Schneeberger zur Judenverfolgung
im Dritten Reich stellt, möchte er sich nicht äussern.
Was für ein Gedankengut tragen dieser Mann und seine Gruppierung
tatsächlich in sich?
«Nationale Sozialisten» – das muss man zusammenrücken,
bis es wieder heisst, was es einmal hiess: Nationalsozialisten.
Im Hintergrund steht hier rechtsextremes und rassistisches Gedankengut.
Weil diese Gruppen wissen, dass dafür in der Öffentlichkeit
kein Bedarf besteht, verharmlosen sie es.
Siehe
auch:
Bericht von Tele
Bern
Verwirrung
um den Neonazi-Fackelzug durch die Stadt Bern
Der
Fackelmarsch von Rechtsextremen in Bern am Samstag war zuerst abgesagt.
Am Nachmittag korrigierte die Polizei: Es werde nun doch mobilisiert.
Hanna Jordi, Matthias Ryffel
Quelle: Der Bund; 12.02.2013
Wird sich am Samstag eine Gruppe Rechtsextremer unter das Berner
Fasnachtsvolk mischen? Eine Meldung vom Wochenende legte dies nahe
- und sorgte am Montag für Verwirrung. Am Samstag machte eine
Mitteilung des «antifaschistischen Pressekollektivs Südniedersachsens»
die Runde, wonach am 16. Februar um 19 Uhr in Bern ein Fackelmarsch
von Neonazis stattfinden solle - just am Fasnachtssamstag. Am Sonntag
folgte die Reaktion aus linksradikalen Kreisen: Unter dem Motto
«Nicht lange fackeln mit Nazis» rief eine antifaschistische
Gruppierung für denselben Tag zur Gegendemo auf.
Am
Montagvormittag gab die Kantonspolizei Entwarnung: «Gemäss
unseren Kenntnissen und dem heutigen Stand der Dinge gehen wir davon
aus, dass der Umzug abgesagt wurde», sagte Michael Fichter,
Leiter der Medienstelle der Kantonspolizei Bern. Am Nachmittag revidierte
die Kantonspolizei die Einschätzung. Gemäss neuesten Kenntnissen
werde in der rechten Szene doch wieder mobilisiert. «Was uns
am Samstag erwartet, ist schwierig vorauszusagen», so Fichter.
Wer die Urheber der neuerlichen Mobilisierung sind und über
welche Kanäle sie ihre Gesinnungsgenossen über das neue
Ansinnen informieren, beantwortete Michael Fichter nicht.
Zwielichtiger
Mitorganisator
Einer
der Organisatoren des Fackelmarschs, Jonas Schneeberger, bestätigte
dem «Bund» am Vormittag, dass der Fackelmarsch in Bern
nicht stattfinde. Er und ein Kollege hätten im Namen der Gruppe
Legion Werwolf zum Umzug aufgerufen: «Rund 50 Personen aus
der Schweiz und aus Deutschland wollten daran teilnehmen, inzwischen
haben wir den Anlass verschoben», sagte er. Auf welches Datum,
sagte er nicht.
Seit
Montagmittag fungiert Schneeberger indes als Mitgastgeber einer
neu gegründeten Facebook-Gruppe, die erneut zum Fackelmarsch
am 16. Februar aufruft, dies ohne konkrete Ortsangabe. Man wolle
die Berner Fasnacht nicht stören, so die Begründung. Schneeberger
war 2011 Nationalratskandidat der Schweizer Demokraten. Er erlangte
Bekanntheit, als die «SonntagsZeitung» eine Bildaufnahme
von Schneeberger publizierte, die ihn in Hitlergruss-Pose im ehemaligen
Konzentrationslager Buchenwald zeigte. Von der Kandidatur trat er
schliesslich zurück.
Mit
dem 16. Februar hat sich der Berner ein heikles Datum für einen
Fackelmarsch ausgesucht. Es fällt nicht nur in die Narrenzeit,
sondern auch sehr nahe an den Jahrestag der Bombardierung Dresdens
durch die Allierten vom 13. bis zum 15. Februar 1945. Die rechtsextreme
Szene Deutschlands veranstaltet zu diesem Datum regelmässig
«Gedenkanlässe». Schneeberger bestritt den Zusammenhang
zu diesem Jahrestag am Vormittag. Der Name der Facebook-Gruppe «Fackelmarsch
für Dresden!!!» legt einen anderen Schluss nahe.
Zuletzt
kam es am 8. März 2009 zu einer Demonstration von rund 150
Rechtsradikalen in Bern. Das Gros der Polizeikräfte war an
jenem Tag in Burgdorf bei einer Kundgebung der Antifa im Einsatz.
Auf die Frage, ob die Berner Polizei nun von einem Umzug Rechtsradikaler
überrascht werden könnte, will Michael Fichter nicht eintreten.
Die Polizei hofft, dass sowohl die Demo wie auch die Gegen-Demo
abgesagt werden.
Fasnacht
verdrängt Symbolik
Samuel
Althof, Leiter der Fachstelle Extremismus- und Gewaltprävention
in Basel, sieht es als wenig wahrscheinlich an, dass der Anlass
durchgeführt wird: «Es ist schwer vorstellbar, dass sich
Neonazis als Stätte eines Umzugs eine Stadt aussuchen, in der
ein Volksfest stattfindet.» Ein Fackelumzug sei ein symbolischer
Akt. «Im Fasnachtstreiben würde die Botschaft verloren
gehen.» Vor dem Hintergrund der neuen Lagebeurteilung mag
er aber nichts ausschliessen.
Co-Organisator
Schneeberger war am Montagabend nicht mehr erreichbar. Auch die
Berner Antifa nahm gegenüber dieser Zeitung nicht Stellung.
Der Aufruf zur Gegendemonstration auf Indymedia.org, dem Netzwerk
linksradikaler Aktivistinnen und Aktivisten, war bis Redaktionsschluss
noch aufgeschaltet.
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