Experte fordert Jugendarbeit in Moscheen
Max Akermann
Quelle: SRF
1, Rendezvous am Mittag Montag, 2. Februar 2015, 14:42 Uhr
Was
tun mit jungen potenziellen Gotteskriegern in der Schweiz? Für
den Experten für Gewalt- und Extremismusprävention, Samuel
Althof, ist klar: Wer sich radikalisiert, ist meist sehr verunsichert
und hat kaum belastbare Beziehungen. Sein Rezept: frühzeitig
erkennen und aufklären auf allen Ebenen.
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Sie
sind jung und sie sind offen für die radikalen Botschaften
fundamentalistischer Prediger: Jugendliche, die zum ultraorthodoxen
Islam übertreten und dann bei Gotteskriegern, den Dschihadisten,
ihr Glück versuchen. Solch junge Konvertiten gibt es auch in
der Schweiz.
Wie
viele es sind, ist umstritten. Deren Zahl sei auch gar nicht so
wichtig, erklärt Samuel Althof, Leiter der von einem privaten
Verein getragenen Fachstelle für Extremismus- und Gewaltprävention
in Basel.
Der
Experte für politischen Radikalismus ist in jüngster Zeit
vermehrt mit Dschihad-gefährdeten Jugendlichen konfrontiert.
Etwa wenn ein junger Mann in der Berufsschule mit gewaltverherrlichenden
Sprüchen und Waffen auf seinem T-Shirt provoziert. Oder wenn
eine junge Frau pötzlich das Kopftuch trägt und damit
ihre areligiösen Eltern schockiert.
Wenn
in solchen Fällen massive Konflikte ausbrechen, spricht Althof
nicht nur mit den direktbetroffenen Jugendlichen, sondern auch mit
deren Bezugspersonen und Behörden: «Wer sich radikalisiert,
ist meist sehr verunsichert und hat kaum belastbare Beziehungen»,
beobachtet der 60-Jährige immer wieder.
Sozial
verwaist
Althof
spricht von «sozialen Waisenkindern»: Sie seien von
ihren Eltern verlassen oder teilweise verlassen, auch wenn sie mit
ihnen zusammenlebten. Die Kontakte in Schule oder Ausbildungen seien
defizitär. Die Jugendlichen stünden zwar mit ihrer Umwelt
in einem Kontakt, doch innerlich lebten sie an einem anderen Ort.
Halt suchten sie dann in radikalen Gruppierungen.
Das
hat Althof so in seiner Arbeit mit links- und rechtsextremen Jugendlichen
immer wieder erlebt. Ähnlich laufe es bei jungen Leuten ab,
die vom gewaltbereiten Islamismus fasziniert seien und nicht selten
die Religion auch als Revolte gegen ihre Eltern entdeckten.
Jugendarbeit
in Moscheen
«Ich
habe hauptsächlich mit Jugendlichen zu tun, die einen Migrationshintergrund
haben. Deren Eltern haben eine distanzierte oder sogar ablehnende
Beziehung zum Islam», sagt Althof weiter. Wer von «Dschihad-Pop»
spreche, dem pupertären Liebäugeln westeuropäischer
Jugendlicher mit islamistischer Gewalt, habe nicht ganz unrecht.
Falls
dann Eltern oder andere Bezugspersonen übertrieben hart reagierten,
trieben sie ihre Kinder erst recht in die Fänge von gefährlichen
Freunden, zumal in den meisten Moscheen eine ernstzunehmende Jugendarbeit
fehle: «Wenn Moscheen Jugendarbeit entwickeln würden,
wäre das Präventionsfeld tatsächlich grösser,
und damit die Chance, Jugendliche frühzeitig zu erkennen und
mit ihnen das Gespräch zu suchen.
«Internet-Streetworking»
Den
Kontakt mit Jugendlichen versucht Althof auch via soziale Medien
und einschlägiger Webseiten herzustellen. «Internet-Streetworking»
heisst der von ihm geprägte Begriff. Was bei Links- und Rechtsradikalen
recht oft gelang, ist bei Islamisten allerdings schwieriger, auch
weil die einschlägigen Internetseiten zum Teil in Arabisch
abgefasst sind. Die beiden jungen Leute, mit denen Althof im Moment
arbeitet, wurden ihm denn auch von alarmierten Behörden zugewiesen.
In
der Schweiz gebe es keine Hinweise auf konkrete Bedrohungen und
Anschlagspläne, liess der Bundesrat erst letzte Woche verlauten.
Der Nachrichtendienst des Bundes geht immerhin von gut 60 Dschihad-Reisenden
aus, die in den letzten Jahren in den heiligen Krieg gezogen sind.
Drei von ihnen sind nachweisbar wieder zurückgekehrt.
Vernetzung
verbessern
Eine
staatsgefährdende Bedrohung durch einheimische Islamisten kann
Althof im Moment nicht erkennen. Er stellt aber fest: «Die
punktuelle Gefahr der Gewalt kann sehr gross sein.»
Je
früher also der Kontakt mit gefährdeten Jugendlichen gelinge,
umso besser. Dazu sei aber eine stärkere Vernetzung von Extremismus-Spezialisten,
Sozialarbeiter, Lehrpersonen und Imamen nötig. Auch Polizei
und Nachrichtendienst gehörten dazu. «Denn sobald die
Faszination von radikalen Ideen zur gefestigten Ideologie wird,
ist es zu spät für Gesprächstherapien.»
(brut/eglc)
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