«Die IS-Spitze wollte wohl Valdet Gashis Tod»
08.07 2015
siehe auch:
Er suchte das Paradies und fand die
Hölle, Südkurier, 08. Juli 2015
Quelle: 20
Minuten von Marco Lüssi
In den Tagen vor seinem Tod wollte IS-Anhänger Valdet Gashi
sich als Sklavenbefreier profilieren. Wurde ihm dies zum Verhängnis?
Sein Bruder Valon verkündete es am Montagabend: Thaibox-Weltmeister
Valdet Gashi (29) sei am 27. Juni in Syrien ums Leben gekommen.
«Du bleibst für mich immer die Nummer 1, egal, wie du
gehandelt hast», schrieb Valon Gashi auf Facebook.
In den Tagen
vor seinem angeblichen Tod plante der deutsche IS-Anhänger,
die Freilassung von jesidischen Sklaven zu organisieren. Tobias
Huch, deutscher FDP-Politiker und Gründer der «Liberalen
Flüchtlingshilfe», sagt zu 20 Minuten: «Ich stand
bis einen Tag vor Gashis Tod mit ihm in persönlichem Kontakt.
Das Ziel war, Frauen und Kinder freizubekommen.»
Nicht generell
gegen Sklaverei
Gashi habe
vermittelt. «Er hat schon mehrere Gespräche für
mich mit ranghohen IS-Leuten geführt», sagt Huch. Gashi
habe ihm gegenüber folgendes Mohammed-Zitat angeführt:
«Wer einen Sklaven während des Monats Ramadan befreit,
den befreit Allah vom Höllenfeuer.» Generell verurteilt
habe Gashi die Praxis des IS, Sklaven zu halten, allerdings nicht.
Dass Gashi
sich als Sklavenbefreier habe hervortun wollen, sei wohl sein Todesurteil
gewesen. «Die wahrscheinlichste Erklärung für seinen
Tod ist meiner Meinung nach, dass er wegen seines eigenmächtigen
Handelns in Ungnade fiel. Mit der Folge, dass entweder IS-Leute
ihn töteten – oder dass man ihn in ein Kampfgebiet schickte,
in dem sein Tod zu erwarten war», sagt er.
«Fürs
Helfen war er beim IS auf der falschen Seite»
Anhänger
mit einem Prominentenstatus, wie ihn Gashi gehabt habe, schütze
der IS sonst gut. «Dass dies nicht getan wurde, deutet darauf
hin, dass die IS-Spitze seinen Tod wollte», sagt Huch. Gashi
sei wohl seine Naivität zum Verhängnis geworden. «Er
wollte in Syrien vermutlich tatsächlich helfen, doch dafür
war er beim IS auf der falschen Seite.»
Auch der Basler
Extremismus-Experte Samuel Althof hatte bis vor kurzem per Whatsapp
regelmässig Kontakt mit Gashi. Über seine Pläne,
Sklaven zu befreien, hat Gashi auch Althof informiert. «Wenn
alles klappt, werden enorme Hilfsprojekte umgesetzt», habe
er vollmundig verkündet.
Gashi habe
sich eingebildet, er könne damit gleich dreifach Gutes bewirken,
sagt Althof: «Erstens, indem er diese Menschen befreie, zweitens,
indem er vom kurdischen Feind für die Freilassung Geld kassiere,
das er dann dem IS für den Aufbau des Kalifats zur Verfügung
stellen könne, und drittens stünde er als Wohltäter
und Befreier und nicht als Terrorist da.»
«Gashi
ist kein Held»
Die These,
dass Gashi mit seinem Verhalten die IS-Führung gegen sich aufbrachte
und damit seine Tötung provozierte, hält Althof genauso
für denkbar wie die Möglichkeit, dass er im Kampf starb
– oder bei einem Luftangriff ums Leben kam.
Und Althof
stellt klar: «Obwohl Gashi Sklaven helfen wollte, ist er kein
Held – er hat die schrecklichen Verbrechen des IS gerechtfertigt
und verharmlost und damit selber zum Leid der Opfer beigetragen.»
Machte sich Thaiboxer Valdet Gashi das IS-Regime zum Feind?
Quelle: Der Landbote von Jigme Garne
Syrien Der angebliche
Tod des IS-Anhängers Valdet Gashi wirft viele Fragen auf. Durchaus
möglich ist, dass der bekannte deutsche Ex-Thaiboxer in der
Terrororganisation in Misskredit geriet – und diese ihn schliesslich
selbst ausschaltete.
Der Gegensatz könnte
kaum krasser sein. Als Valon Gashi am letzten Junisamstag mit einer
albanischen Folkloregruppe am Singemer Stadtfest auftrat, im
Anschluss an ein Podiumsgespräch zum Thema Flüchtlinge
und Integration, da war sein älterer Bruder Valdet wahrscheinlich
schon tot. Gestorben in Syrien für die Terrororganisation Islamischer
Staat (IS). Die Umstände, die dazu führten, sind noch
unklar. Weder vom zuständigen Innenministerium in Stuttgart
noch auf einschlägigen IS-Plattformen wird sein Tod bestätigt.
Der mehrfache Thaiboxweltmeister
Gashi hatte sich nach Syrien abgesetzt, um sich dem IS anzuschliessen.
Zuvor hatte er in Winterthur Kampftrainings für Muslime und
nach muslimischen Regeln geleitet. Unter den Teilnehmern waren auch
Winterthurer Jugendliche, die sich später ebenfalls dem IS
anschlossen. Gashi wird verdächtigt, Jugendliche gezielt angeworben
zu haben. Jetzt hat sein jüngerer Bruder Valon auf Facebook
geschrieben: «Ruhe in Frieden mein bruder.» Gashis Todestag
datiert er auf jenen Samstag, 27. Juni.
Das letzte Bild
Dies ist bisher die einzige
Quelle, die Gashis Tod bezeugt. Doch mehrere Personen in der Schweiz
und in Deutschland, die sich schriftlich mit ihm austauschten, bestätigen
einen plötzlichen Kontaktabbruch. Eine davon ist Samuel Althof
von der Extremismusfachstelle Fexx in Basel (Bild). Er schrieb seit
Monaten mit Gashi, in der Hoffnung, ihn zur Rückkehr zu
bewegen. «Trotz meiner sehr deutlichen Kritik am IS hat er
nie die Tür zugeknallt und wollte im Dialog mit mir bleiben.»
Die letzte Antwort traf
am Freitag, 26. Juni, ein. Einen Tag zuvor sandte Gashi sein letztes
Bild: Das Selfie zeigt den bärtigen 29-Jährigen mit unbekümmertem
Blick. Im Hintergrund hantieren ein Erwachsener und ein Kind an
einer Waffe. Auf Facebook hatte er stets beteuert, für den
IS im Grenzgebiet zu patrouillieren und nicht in Kämpfe verwickelt
zu sein.
Auch Valon Gashi
hatte an diesem Freitag zum letzten Mal mit seinem Bruder telefoniert,
wie er dem «Südkurier» sagte, der in dieser Recherche
mit dem «Landboten» kooperiert. Valdet habe ihm berichtet,
dass er von seinem bisherigen Standort Membij in die rund 40 Kilometer
entfernte Grenzstadt Kobane ziehen werde, um bei der Evakuierung
bedrohter Zivilisten zu helfen. Es sei gefährlich; falls er
nicht zurückkehre, werde sich jemand melden.
Ein paar Tage später,
so erzählt Valon Gashi, habe sich über Valdets Handy tatsächlich
ein Unbekannter gemeldet und mitgeteilt, dass der Bruder tot sei.
Er sei am 27. Juni bei einem US-amerikanischen Luftangriff getötet
worden. Gashi habe versucht, einen unter Beschuss geratenen Freund
zu retten. An seinem Tod gebe es keinen Zweifel.
Ob diese «Heldengeschichte»
wahr ist, lässt sich derzeit nicht überprüfen. In
Kobane haben um den 27. Juni zwar heftige Gefechte zwischen Kurden
und dem IS stattgefunden. Experte Althof warnt aber, dass es sich
bei dieser Darstellung um eine bewusst gestreute Fehlinformation
der IS-Propagandisten handeln könnte.
Sklaven als Verhängnis
Ein möglicher Grund
dafür wird jetzt bekannt: Wie informierte Quellen übereinstimmend
berichten, plante Gashi eine Sklavenfreilassung. Er wollte kurdische
Sklaven vom IS freikaufen und die Frauen und Kinder in IS-freie
Gebiete führen. Obwohl er in Vergangenheit die Sklavenhaltung
des IS verteidigt hatte, hielt er dies für eine gute Tat, die
er im Ramadan vollbringen wollte. Im Koran zählt das Freilassen
von Sklaven als Sühneleistung für Muslime, die im Ramadan
Geschlechtsverkehr ausüben.
Ein Angelpunkt der Sklavenfreilassung
wäre der deutsche FDP-Politiker und Flüchtlingshelfer
Tobias Huch aus Mainz gewesen. Der IS-Kritiker hatte via E-Mail
bereits mehrere Wochen mit Gashi diskutiert, als dieser auf seine
Pläne zu sprechen kam. Huch reagierte, indem er Hilfe anbot:
Über sein Kontaktnetz im Irak wollte er dafür sorgen,
dass die freigelassenen Sklaven an der irakischen Grenze empfangen
und betreut werden. «Gashi führte deswegen Gespräche
mit ranghohen IS-Leuten, die zunächst Goodwill signalisierten»,
erzählt Huch. «Ich weiss aber nicht, ob das Vorhaben
bei denen wirklich gut angekommen ist.»
Ein entscheidendes Gespräch
hätte in diesen Tagen stattfinden sollen. Einen Zusammenhang
mit Gashis Tod hält Huch deshalb für sehr gut möglich.
Auch für Althof deutet das darauf hin, «dass Gashi
möglicherweise vom IS umgebracht wurde, weil er zu weit gegangen
war». Sollte sich das bestätigen, dann wäre es aus
Sicht des IS die denkbar schlechtere Version als die eigene, um
die Geschichte ihres bekanntesten Vertreters im deutschsprachigen
Raum zu Ende gehen zu lassen.
Jigme Garne
Gashi
bei Luftangriff getötet?
Spekulationen um angeblichen Tod des Winterthurer Jihadisten
Quelle: Neue Zürcher Zeitung, Fabian Baumgartner (fbi)
fbi./scf. ·
Um den angeblichen Tod des zweifachen Thaibox-Weltmeisters Valdet
Gashi in Syrien ranken sich viele Gerüchte. Laut unbestätigten
Informationen soll er bei einem Luftangriff der US-Armee in der
Nähe der Stadt Membji ums Leben gekommen sein. Gashis Bruder
hatte am Montag auf seiner Facebook-Seite den Tod des 28-Jährigen
verkündet.
Der Extremismus-Experte
Samuel Althof kann die Informationen zum Tod von Gashi nicht bestätigen.
«Mir liegen keine konkreten Beweise vor.» Für Althof
ist aber klar, dass Gashis Tod bereits von der Propagandamaschinerie
des Islamischen Staats (IS) manipuliert wird. Die Erzählung
des gefallenen und nur Gutes bewirkenden Helden passe zur konstruierten
Märtyrerwelt des IS. «Gashi selbst hat dieses Bild des
guten Ritters aktiv genährt.» Das zeige auch, wie stark
ideologisiert er gewesen sei. Aus diesem Grund sei es unklar, was
an der Geschichte über den Tod des Jihadisten wirklich wahr
sei und was erfunden. «Es könnte genauso gut sein, dass
es sich dabei um Propaganda oder um eine glorifizierte Heldengeschichte
handelt», erklärt Althof.
Der Thaiboxer
aus dem süddeutschen Singen hatte bis Ende des letzten Jahres
in Winterthur ein Kampfsport-Center betrieben. Anfang dieses Jahres
reiste er nach Syrien und schloss sich der Terrororganisation IS
an – laut eigenen Angaben nur in der Funktion als Helfer.
Im Kampfsport-Center trainierten auch drei andere Männer, die
ebenfalls nach Syrien gereist waren.
|